Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Ich hätte meine Gazpacho gerne warm

Neuer Wahnsinn aus dem Service

Ja, ich arbeite immer noch im Service. Wie der Strudel einer echt harten, zerfleischenden und den Körper mürbe machenden Droge, hab ich es noch nicht aus dem Sog meines Nebenjobs geschafft. Bin ich einfach nach einer Schicht so müde und fertig mit der Welt, dass ich die Bewerbungen immer auf den nächsten Tag verschiebe. Ich bin ja eigentlich auch noch Studentin. Mit der Hausarbeit mache ich es übrigens genauso, die müsste eigentlich auch mal …  Naja erstmal hier weiter im Text, Prokrastination funktioniert nämlich am aller besten, wenn man über den Status quo rumschimpft und die verbessernden Handlungen auf Morgen schiebt. Also Tada, hier meine neuen haarsträubenden Geschichten aus meinem Job. An all die lustigen  Ausspracheweisen der Kunden haben sich mein Team und ich übrigens schon so gut gewöhnt, dass wir nicht mehr mit einem lauten Lachanfall reagieren müssen und kompetent freundlich bleiben können. Der BüMo für Büffelmozzarella (der übrigens auf bestialische Weise hergestellt wird. Die kleinen Baby Kälber werden ihrer Mutter … Kunde: »Das wir uns nicht schämen, BüMo anzubieten. Ein Sandwich mit Serrano Schinken bitte.«). Die Quiche die eine Quietsche wird und den legendären EXpresso machen wir natürlich jedes Mal besonders schnell.

Dieser Sommer lies ja leider etwas zu wünschen übrig. Aber dennoch gab es zwei, drei Tage die uns ordentlich zum Schwitzen brachten. Unser Koch, der kleine Fuchs, reagierte geschwind und bot an diesem Tag eine Gazpacho an. Ich habe gelernt, dass ich es vielen Menschen erklären muss, deswegen auch für Euch liebe Leser, eine kurze Erklärung zum weiteren Verlauf dieser Geschichte: Eine Gazpacho ist eine aus Spanien stammende kalte Suppe. Jap, kalt. Dadurch prinzipiell recht passend als erfrischendes leichtes Gericht für heiße Tage. Ist nicht jeder Manns Sache, aber wem es schmeckt, kommt rein, wir haben eine für Euch. Viele Kunden lehnten die auf Gurken basierende Suppe, die mit Eiswürfeln serviert wird, dankend ab und verabschieden sich bis morgen. Alles klar, bis dahin kann ich jede Kundenhandlung verstehen. Bis ein Frankfurter Banker den Laden betrat, sichtlich ohne viel Zeit zu haben. Und meinen noch neuen Kollegen, sagen wir mal, nicht freundlich dazu aufforderte, die Suppe schleunigst für ihn warm zu machen. »Aber, eine Gazpacho muss kalt sein. Das ist mit Gurke. Ich weiß nicht ob warme Gurke schmeckt …«, versucht mein Kollege das Konzept unseres Kochs doch nicht komplett zu zerstören. Aber nichts da. Für Sie, mit dieser herzentzückenden Freundlichkeit, treten wir die Spanische Kultur natürlich gerne mit Füßen und machen eine Suppe für sie warm, die leider nur kalt gut schmeckt.

Generell geht der Trend dazu, sich erstmal durch unsere Speisen probieren zu wollen. Ich weiß nicht, wieso das bei uns so eingerissen hat. Vielleicht weil wir es machen, um Gemecker zu vermeiden? Aber die viel wichtigere Frage: Zu welchem Zeitpunkt kamen die Herrschaften auf die Idee, überhaupt zu fragen ob man zubereitete Speisen probieren kann? Ernsthaft, wann? Tun das diese Menschen auch im Restaurant?

Mein Highlight der letzten Woche war aber die Dame, die in den Laden stürmte, sich zu mir an die Kasse stellte, an der ich das tat was man an einer Kasse eben tut: eine Kundin, die sich Sachen eigenständig ausgewählt hat und nun diese bei mir bezahlen möchte, abkassieren!! Eben erschienene Kundin jedenfalls stellt sich an die Kasse und grätscht mitten in meinen Kassiervorgang: »Eine Limette«. Irritiert deute ich auf die Stelle, wo sie Limetten findet, aber nein sie bleibt angewurzelt stehen und wartet auf ihre Frucht. Irgendwie ist unser Laden ein magischer Ort, an dem die Menschen in dem Moment in dem sie das Geschäft betreten, alle Konventionen vergessen und bei uns mal das tun, was sie schon immer in einem Geschäft tun wollten … Solch ein magischer Ort, dass ich mir bei jeder solchen Situation wünsche, den Leuten einfach noch zusätzlich etwas Glitzer ins Gesicht zu werfen. So, ich muss jetzt auch aufhören, denn ich muss noch schnell zur Drogerie und der Kassiererin meinen Einkaufszettel in die Hand drücken und in der Zwischenzeit, Zeit ist schließlich Hunger, geh ich schnell zum goldenen M und bestelle mir ein warmes Soft Eis und ähm kann ich bitte vielleicht kurz ein Stück vom McChicken probieren? Ich weiß nicht, ob mir heute eher nach Huhn oder Rind ist … oder Fisch?

Falls ihr mehr lesen möchtet von Julia, dann seht auch hier mal rein

P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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