Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Die Katze und die Kiste

Ich lebe in einer Großstadt. Und ich muss wirklich sagen, dort erlebt man allerhand. Seien es Menschen, die dich in S-Bahnen anpöbeln, weil du einen Textmarker verwendest (denn die sind sehr umweltschädlich, wie ich daraufhin erfahren habe), oder andere Erlebnisse ähnlicher Art.

Bei den Dingen, die ich so erlebe, darf man natürlich mein ganz eigenes Steckenpferd nicht vergessen: Tinder. Ich habe so viel mit dieser App erlebt, das gehört erzählt. Es wäre wirklich nicht fair, nur meine Freunde daran teilhaben zu lassen. Deswegen entstand die Idee, all dies aufzuschreiben. All die Geschichten niederzuschreiben, zusammenzuheften und daraus ein Buch entstehen zu lassen. Zu schreiben, macht mir genauso viel Spaß, wie mich mit fremden Männern auf einen spendierten Gin Tonic zu treffen. Also wirklich ziemlich viel Spaß. Und jetzt verehrte Gäste, kommt der Knackpunkt an dieser heutigen Geschichte. Zu schreiben, macht mir nämlich sogar ein bisschen mehr Spaß, als die Sache mit dem Gin. Und dieses Buch, ganz besonders. Ich bin jedoch ein Mensch, der nicht aufhören kann, sich alle Sachen vorher immer vorzustellen, zu Recht zu denken, den Ablauf komplett  versuchen zu planen. Da in meinem Kopf alles schon komplett durchgelaufen ist, hat mein Buch schon enorme Wellen geschlagen und die Verlage und Agenten klopfen nur so an meine gedankliche Tür. Ich fühle mich in meiner Gedankenwelt ziemlich wohl und plane diesen Erfolg meistens lieber weiter, als wirklich etwas Handfestes im Hier und Jetzt zu produzieren.

 Ziemlich blöd, ich weiß! Aber für mich ist das so wie bei dieser Katze und der Kiste und diesem Schrödinger. Wer in unserer heutigen Popkultur gepennt hat und The Big Bang Theory nicht kennt, lasst es mich kurz erläutern: die Theorie um Schrödingers Katze besagt, dass sich ein Kätzchen in einer Kiste mit einer Ampulle Gift befindet. Und so lange die Kiste zu ist, kann die Katze gleichzeitig tot und lebendig sein. Erst wenn man die Kiste öffnet, wüsste man woran man ist. Und genauso läuft mein Leben ab! Ja, ich mache das nicht nur bei meinem Buch so. Nein, auch bei wirklichen Kisten! Ohne scheiß, Online-Shopping-Pakete stehen bei mir immer super lange rum. In dem Moment, in dem ich Rotwein beschwipst online konsumiere, bin ich ungemein euphorisch, aber sobald die Kiste kommt und ich es anprobieren würde, könnten die Teile nun eben passen oder nicht passen. Bleibt die Kiste zu, habe ich in meinem Kopf eine wunderbare neue, heiße Garderobe.

Verschiebe ich das nächste Kapitel auf morgen und dann auf übermorgen, bleibe ich die gefeierte Neu-Autorin in meinem Kopf. So plätschert mein ganz großes Projekt so langsam vor mich hin. Familie, Freunde und Unterstützer liegen mir in regelmäßigen Abständen in den Ohren, wie weit ich denn nun wäre. Aber ich kann immer nur wieder sagen: »Die Kiste, Leute! Denkt doch mal an die arme Katze, vielleicht ist sie schon tot.« Dies schenkt mir immer Zeit der Verwirrung um wegzurennen oder mich zu verstecken.

So sitze ich aber jetzt mit meiner Freundin Alice in Darmstadt bei einem frühen Aperol und ich erkläre ihr ausführlich diese Katzen und Kisten Theorie und was das mit der mickrigen Anzahl der fertigen Seiten zu tun hat und bin echt, wahrlich und total ehrlich, von mir selbst frustriert. Ja vielleicht ist die Katze tot und mein Buch geht in der Flut des Buchmarktes unter, oder die Katze lebt und ich erlebe im ganzen Prozess jede Menge Spaß. »Ich verstehe nicht, warum ich mich einfach nicht traue, die Kiste zu öffnen!«, fluche ich gerade auf den letzten Metern zur Bushaltestelle, als eine Gruppe junger Kerle auf dem Fahrrad vorbeifährt und – und das ist jetzt mein vollster Ernst, das ist ganz genauso passiert – einer der Typen lautstark »Miau, Miau, Miau« schreit und in der Dunkelheit verschwindet. Keine Ahnung, was die Typen genommen haben. Alice greift jedoch nur meinen Arm, schaut mich entgeistert an und sagt einfach nur: »Scheiße nochmal, öffne diese Kiste!« Deswegen schreibe ich jetzt auch diese Zeilen. Damit ihr alle meine ausgeklügelte Prokrastinations-Theorie kennt und mir jedes Mal »Miau, Miau, Miau« entgegenschreit, wenn ihr mich ab jetzt seht! Wirklich, ich bitte darum 😉

Denn, seien wir doch mal ehrlich, wenn es mir Spaß brachte, das Alles zu erleben, es mir jetzt mit jeder Menge Kaffee und Notizbücherkonsum Spaß macht, das Erlebte niederzuschreiben, wird es sicherlich auch Leute geben, die Spaß haben werden, es zu lesen. Und wenn es einfach ich sein werde, mit einer Katze auf meinem Schoß!

Falls ihr mehr lesen möchtet von Julia, dann seht auch hier mal rein

P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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