Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Die kleinen aber feinen Unterschiede des gesellschaftlichen Betrinkens

Egal wo man lebt, um Parties, Feierei und Halligalli kommt man nicht drum rum. Dennoch macht es einen erheblichen Unterschied wo man dies örtlich zu tun gedenkt. Ein Dorf hat da einen strikten Veranstaltungsplan, der sich ohne große Abweichungen Jahr für Jahr, im immer gleichen Modus wiederholt. Das Jahr beginnt besonders bunt, laut und alkoholisiert: Fastnacht. Auch bekannt unter Karneval, Fasching … Dialekt bedingte Unterschiede im Wort, aber der Ablauf ist überall gleich. Man betrinkt sich und redet oder knutscht mit Menschen die man täglich im Supermarkt oder auf der Post trifft, denen man aber nüchtern niemals Hallo sagen würde. Wenn draußen die ersten Blumen erblühen, beginnen auch so langsam die nächsten feiertechnischen Highlights: die kommunalen Parteien und Vereine begehen ihre Grill- und Sommerfeste. Dies mündet dann meistens in dem Ereignis des Jahres: der Kerb oder auch Kirchweih genannt! Kerbbaum Aufstellung, Kerbred, Alkohol, Karussell fahren, bei der Oma das Kerb Geld abholen; um dann am Ende die vor ein paar Tagen erst aufgestellte Puppe wieder zu verbrennen. Kuschelig an einen Glühweinstand gelehnt, endet das Partyjahr auch schon wieder auf einem der meist überschaubar kleinen örtlichen Weihnachtsmärkten. Das wars! Überbrückt wird dieser Heiterkeits-Reigen mit privaten Partykeller Zusammenkünften, Scheunenparties, oder damit sich am Tresen der örtlichen Kneipe zu betrinken. Asbach-Cola hierbei sehr beliebt in meiner Heimat. Discos gibt’s nicht. Dafür musste man bei mir früher beispielsweise den Weg nach Darmstadt auf sich nehmen. Dies bedeutete folgenden zu bedenkenden Aufwand: vorher eine Gruppe von Leuten organisieren, dann richtig schick machen,  dieses „vorglühen“ ausprobieren und mit dem letzten Bus ab in die Stadt (bis man ankommt ist man übrigens wieder nüchtern). Wenn man niemanden zuhause gebliebenes der einen wieder abholt hat, teilt man sich dann später das teure Taxi zurück ins Dorf. So bin ich aufgewachsen. Ob ich wollte oder nicht. Da kam ich nicht drum rum.

Und jetzt stehe ich in Frankfurt. Da ist jeden Tag Party! An verschiedenen Orten gleichzeitig, mit verschiedener Art von Musik, verschiedene Arten von Menschen. Ich muss mich jetzt nicht mehr entscheiden ob ich mir den Traum von Amsterdam geben muss oder zuhause bleibe. Nein ich kann mir in Frankfurt jeden Tag meinen individuellen „fancy Julia Party to do plan“ entwerfen. Und da ich noch nie auf Apres Ski und das dazugehörige Etablissement Mausefalle in der Darmstädter Großraumdisco A5 stand, suche ich mir die richtigen schranzigen Electroschuppen für meine ersten Tanzschritte im Feier-Eldorado Frankfurt aus. Und ich sag euch was, wenn man nur einen Anfahrtsweg von ein paar U-Bahn Stationen hat, macht vorglühen wirklich Sinn. Und hier tanze ich nun. Hier hüpft niemand zum merkwürdigen Fantasygirl Lied in Flashmob artiger Präzision herum, oder versucht sich in den Spirit Fingers, wenn mal ein paar elektronisch anmutende Beats ertönen. Die Leute tanzen, als gebe es keinen Morgen, schließen die Augen, fühlen den Bass unter ihren Füßen, sind ganz im kollektiven Gefühl der Zusammenkunft von freiwillig sich hier befindenden Menschen versunken. Okay die meisten von ihnen stehen hart unter Drogen und tanzen wahrscheinlich schon seit 2 Tagen durch. Aber auch ohne Drogen sind solche Abende faszinierend schön. Dauert so ein Discobesuch als Dorfkind höchstens mal so bis drei Uhr nachts (und dann fühlst du dich schon wie ein echter Partypeople) funktioniert das in Frankfurt nach einem anderen Motto: Hier gehst du erst nach Hause wenn du unter deinen Armen so einen richtigen Geruch von Obdachlosigkeit wahrnehmen kannst. Dieser Geruch ist Genugtuung und Bestätigung des  Abends zugleich. Außerdem hat mir meine Oma schon immer gesagt, das artige Mädchen im hellen nach Hause gehen.

 

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P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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