Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

I´ll have a skinny vodka Latte to go please …

Früher war ich ein fröhlicher Mensch. Dann habe ich begonnen im Einzelhandel zu arbeiten. Seit fast drei Jahren jobbe ich nun nebenher in einem unkonventionellen Geschäft mit einem Espressobar-Bereich. Und genau hier liegt das Problem. Am Tresen fängt man an, Menschen zu hassen. Grundlos, sobald sie den Laden betreten, finde ich sie schon potentiell doof. Aber wie kommt es, dass aus einem fröhlichen kleinen Mädchen mit dem festen Glauben an das Gute in den Menschen eine zynische Frau wird, die heuer an die Kraft von After-Work-Cocktails glaubt? Auch wenn man das anhand des Benehmens der werten Kundschaft oft annehmen könnte, befinden wir uns nicht in St. Tropez sondern in Frankfurt. Eigentlich eine Gegend, die nicht von hippen Cucumber-Frizz-Lemonade-Bars und Cafés unterwandert ist, dessen Klientel Startups gründen und sich nach ihren Mac Books aber keine Büros mehr leisten können. Wahrscheinlich ziehen wir gerade deshalb alle Frankfurter und Messe-Mitarbeiter an, die genau diese Etablissements kläglich vermissen und alle angestauten Hipster-Attitüden freudig an uns auslassen. Man kennt die Witze über die ewiglangen Bestellvorgänge und Auswahlmöglichkeiten bei Starbucks. Nur jetzt verrate ich euch etwas: das sind keine Witze! Das ist traurige Realität! Wir haben Milchkaffee, Cappuccino, Latte Macchiato und Americano. Easy eigentlich. Wir haben sogar nur eine Größe, es könnte so einfach sein:

Einen Milchkaffee bitte. 

Um Missverständnissen vorzubeugen, steht das Ganze zudem unglaublich groß an einer Wand. Und jetzt kommen wir zum Punkt meines erhitzten Gemüts: Die Kunden von heute erfinden Dinge, die man gar nicht anbietet. Ungelogen, da wird kreativ die Menükarte umgestaltet. Diesbezüglich hier eine kleine Auswahl der schönsten Bestellungen:

Frozen Cappuccino mit fettarmer Kokosmilch, haben Sie nicht? Dann Reismilch… , auch nicht? Sie wissen schon, wie Sojamilch hergestellt wird?

Einen Matcha Chai Latte mit Maple Syrup bitte. (Anmerkung von mir: Ahornsirup? Echt jetzt?!) 

Einen Milchkaffee mit einem halben Espresso und den bitte besonders heiß.

Einen Cold Brew Americano und ist die Suppe gluten free?

Aber mein absolutes Highlight: die Babyccinos!! Ich weiß nicht, woher dieser Trend kommt, welches hirnverbrannte Café sich jemals aus Marketinggründen dieses Wort ausgedacht hat. Aber alle heutigen Eltern erwarten, dass wir Babyccinos für ihren knuddelig süßen Nachwuchs herstellen – umsonst versteht sich. Bei Babyccinos handelt es sich um warme Milch sowie den erhitzten Milchschaum, in einer Cappuccino-Tasse serviert, damit die kleinen Racker auch so tun können, als trinken sie Kaffee wie ihre gestressten Eltern. Als ich Kind war, gab‘s noch einen ordentlichen Kakao. Nein, heute schäumen wir Milch auf, während die Kinder schreiend im Laden herumrennen, dabei die Warentische verwüsten und ihre Eltern ganz vertieft in ihre wichtigen Gespräche sind. Ich glaube, wenn ich schon für die Kinderbetreuung dieser Nachwuchs-Elite zuständig bin, nehme ich mir bei der nächsten Bestellung die Freiheit raus, einige Löffel Zucker im Milchschaum zu versenken, so als kleine Sonderleistung, zur Sonderleistung versteht sich. Abschließend möchte ich nochmal zusammenfassen: Freundlich zu Kunden zu sein, die sich blitzartig an den einzigen Tisch setzen, an dem sich vom vorherigen Gast noch nicht weggewischte Krümel finden lassen und sich lautstark über besagte Krümel beschweren, ist wie ein Puzzle: verdammt anstrengend. Mein Gefühl der Abneigung ist so angenehm, wie ein Glas Wein, nachdem man das Puzzle in den Müll geschmissen hat.

Falls ihr mehr lesen möchtet von Julia, dann seht auch hier mal rein

P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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