Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Der Bachelor

Wiesbaden – spätabends – in der S-Bahn Richtung Frankfurt. Erster Griff gilt der Handtasche, suchend nach meinem Handy. Ich komme gerade von einem, joa man kann es so nennen, erfolgreichen Tinder-Date in der hessischen Landeshauptstadt. Nachdem ich die letzten Stunden die Aufmerksamkeit komplett meinem Gegenüber gespendet habe, weiß mein Daumen schon gar nicht mehr wohin mit der ganzen Energie und ich fühle phantom-tippende Anwandlungen. Mich erwartet ein voller Startbildschirm. Eine Freundin hat einen Typ über ebengleiche App kennengelernt und dieser hat sie und eine beliebige Anzahl von Freundinnen in einen Frankfurter Club eingeladen. Nein, nicht nur wir und der kleine Hugh Hefner, sondern er und seine Kumpels gehen feiern und sie soll doch mit Mädels vorbeikommen. »Boah man ey Jules, Gääääästeliste«. Der Abend ist zwar schon recht vorangeschritten, meine Freundin versichert mir aber - nachdem ich unhöfliches Ding endlich mal geantwortet habe – dass sie auch nach meiner 40 Minuten S-Bahn-Fahrt immer noch in dem Club wären. Sie lasse mich auf die Liste setzen. Warum eigentlich nicht? Ein Abend – zwei Verabredungen via Tinder – und nur für eins musste ich arbeiten. Passt. Vorm Club angekommen, gehe ich schnurstracks an der noch vorhandenen Schlange vorbei. So souverän, als hätte ich das schon öfter gemacht. Okay mein Name steht schon mal nicht auf der Liste, die Souveränität schwindet minutiös. Ich scrolle die Unterhaltung meiner Freundin hoch, bis ich den Namen des spendablen Herren wiederfinde. Bingo. Die jetzt wieder einigermaßen nette Frau bringt mich sogar eigenhändig in den Club und zu der zum Namen gehörenden gemieteten Lounge. Einsam und alleine sitzt da ein Typ neben einem ebenso einsamen Champagnerkühler. Die Frau fragt ihn nochmal ob er mich kenne, bevor sie die Absperrung löst. Ich grinse wie die anstrengende Katze bei Alice im Wunderland. Natürlich kennt er mich nicht du doofe Trulla, ich bin nur hier, weil es hieß es gibt kostenlos was zu trinken. Ihm scheint aber mein Kleid zu gefallen und er nickt der Dame nur geflissentlich zu. Nach kurzem Lautstärke bedingten Anschreien, erfahre ich, dass die anderen gerade tanzen sind. »Was zu trinken, danke, wäre doch gar nicht nötig gewesen.« Kurz darauf fallen mir meine Freundinnen um den Hals und ich sehe auch den Rest der Bande. Bande passt, kleine Rackerbande. Nachdem ich jetzt weiß, dass die Daddies der Jungs wohl den Abend bezahlen, habe ich auch nur noch ein ganz kleines schlechtes Gewissen, mich den Getränken für umme zu widmen. Die Lounges in diesem Club sind ansteigend angeordnet, direkt hinter unserer ist also die nächste um ca. eine Stufe erhöht. Die Männer dort, und die Betonung liegt bei mir ganz klar auf Männer, find ich irgendwie spannender als die Jungs in meinem Bereich. Aber auch eine meiner alkoholisierten Freundinnen findet einen der Herren hinter uns ebenfalls recht nett. Der Typ ist auch flirty drauf, aber Hallo. Ist mein Ego  von Wiesbaden noch bedient, chille ich entspannt mit meinem Gläschen in der Hand und beobachte amüsiert meine Freundin, wie sie versucht von der einen in die andere Lounge zu klettern. Ohne dass die Security sieht, dass sie während diesem Akt mit ihren Schuhen die Polster berührt. Ich fühle mich pudelwohl, wann hat man schon mal die Chance ein very important person zu mimen. Doch plötzlich beugt sich einer der anderen Typen zu mir runter, ich solle mal rüberkommen, er müsse mir was sagen. Ich stelle es jedoch geschickter an und gehe einfach außenherum. War dieser Abend schon ziemlich aufregend, kommt jetzt die Kirsche auf der Sahnehaube. Besagter Mann, jetzt wo ich in seiner Lounge stehe, auch gar nicht mehr so spannend, flüstert mir unglaublich sensationshungrig zu, dass der Typ mit dem meine Freundin gerade flirtet, der Bachelor sei. Ja Richtig, DER Bachelor. Er sei sein Agent und sie sind heute mal komplett privat unterwegs. Da ich ihm aber von allen meinen Mädels am vernünftigsten erscheine, wollte er es mir sagen, damit ich Bescheid wisse, dass es sich hier wirklich um den Bachelor handele. Mein Blick schielt rüber zum ominösen Promi und meine Lachmuskeln müssen ziemlich hart arbeiten, nicht zu arbeiten. Ich spiele währenddessen die erwarteten großen naiven Augen »echt jetzt?« mit dem mein Gegenüber gerechnet hat. Lasse mir mein Glas auffüllen, schnappe meine Freundin und ziehe ab. Durch ihren konsumierten Alkohol sind ihre großen Augen, »Echt jetzt?«, kurzzeitig ernst gemeint. Doch eine Google-Bilder-Suche frischt ihr Gedächtnis auf und wir verfallen beide in schallendes Gelächter. »Mensch Julia, wieso hast du mich weggeholt, ich hätte den Bachelor haben können«,  schreit sie mir den gesamten Heimweg tränenlachend entgegen, »DEN Bachelor ey«. Und die Moral von der Geschichte? Wenn du so tust, als wärst Du DAS It Girl auf jeder Gästeliste und kompetent deinen erschnorrten Champagner trinkst, musst du damit rechnen, dass du Menschen anziehst, die genauso kompetent ebenfalls nicht das sind, was sie vorgeben zu sein.

Falls ihr mehr lesen möchtet von Julia, dann seht auch hier mal rein

P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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