Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Just married

 

Die Kirchenglocken ertönen. Okay, ich stehe vorm Standesamt des Römers in Frankfurt, aber in meinem Kopf sind ganz klar Kirchenglocken auszumachen. Wir warten auf das Brautpaar, bis wir alle vom Frack tragenden Pförtner das Okay erhalten, die mit rotem Samt ausgelegten Stufen hinaufsteigen zu dürfen. Während ich über die anderen wartenden Gäste hinwegschaue, ob ich weiße, wunderschöne Kleider entdecken kann, erinnere ich mich an das Wintersemester 2012. Vor 4 ½ Jahren begann ich mein Studium in Frankfurt. Ich wollte nicht weit weg von Zuhause, aber weg von Darmstadt. So begann ich in der Mainmetropole mein Leben nach dem Abitur. So nah an Zuhause, doch alles war auf Null gesetzt und ich erstmal alleine. So saß ich in den ersten Wochen in meinen Seminaren und anstatt mich mit den Thematiken der Soziologie bekannt zu machen, machte ich mir Sorgen, ob ich neue Freunde finden werde, ob ich Leute finde, die mit mir diese doofen Gruppenarbeiten bestreiten, Menschen mit denen ich all dieses Neue zusammen kennenlernen kann. Und dann kamst du, mitten rein in meine sorgenvollen Gedanken. Ein Semester hatte ich noch die Ehre im berühmten und berüchtigten AfE Turm der Goethe Uni zu studieren. Oder genauer im Tucan zu sitzen, während ich eigentlich studieren sollte. Aber in den ersten Wochen des ersten Semesters, nimmt man die ganze Sache noch etwas ernster und man musste sich ganz schön spurten, um in den Seminaren einen Platz mit einem Stuhl zu ergattern und nicht den Fußboden wählen zu dürfen. So ging ich also etwas früher aus meinem Statistik Seminar aus der hinteren Tür, ins hintere Treppenhaus, um zu meinem nächsten Seminar im eben erwähnten AfE Turm zu  laufen. Mein Glück, unser Glück, dass du genau die gleiche Idee zum genau gleichen Zeitpunkt hattest. Und jetzt definitiv mein Glück, dass du, als wir so stumm nebeneinander die Treppen hinunterstiegen, diese Stille mit deiner offenen Art durchbrachst und so zu meiner Freundin wurdest. Zufällig hatten wir nämlich nicht nur den gleichen biologischen Rhythmus Seminare zu verlassen, sondern auch einen ziemlich identischen Stundenplan. Was darauf folgten, sind unzählige Becher Kaffee, ebenso viele nicht gelesene Seiten Seminarliteratur, einen gemeinsamen Job, der uns schon mehrmals nach Berlin führte und ich jedes Mal die falschen Schuhe für dein Laufpensum dabei hatte. Darauf folgte eine Freundschaft die Studienabschlüsse und Zeitverschiebungen über die ganze Welt hinweg überstanden. Eine Freundschaft in der man das Schweigen der anderen Person genauso versteht, wie die kindischen Momente, in denen man vom Lachen Schmerzen hat. Eine Freundschaft, die mir eine Zahnbürste raus legt, wenn ich nach einem von meinen unzähligen Dates sicher übernachten sollte, eine Freundschaft, die dich als sicherer und doppelter Boden vor kuriosen Erfahrungen schützt oder sie einfach mit dir zusammen durchlebt. Genauso gut wie an diesen Moment im Treppenhaus im Oktober 2012 kann ich mich an deine glitzernden Augen erinnern, als du mir ein paar Wochen später zum ersten Mal von dem Menschen erzähltest, mit dem du dein Leben teilst. Vor einem Jahr eilte ich schon in ein Krankenhaus um als eine der ersten eure gemeinsame Tochter in dieser Welt zu begrüßen. Und nun stehe ich hier, in einem langen Kleid, Tränen in den Augen und bin froh, dass andere Menschen den Moment deiner ersten Unterschrift als verheiratete Frau fotografisch festhalten, da ich diesem Moment meine gesamte Aufmerksamkeit schenken möchte. Habe ich mich in den letzten 4 ½ Jahren mit dem von mir selbsterfundenen und perfektionierten Tinder-Quartett beschäftigt (Patentierung läuft) habt ihr eure Liebe sich weiter entwickeln und wachsen lassen und heute nun verewigt. Mein liebes Brautpaar, wie schnell die Zeit vergeht. Wer von uns hätte das damals Stufe um Stufe erwartet? Danke, dass du damals im Treppenhaus meine Sorgen beendet hast. Danke für 4 ½ Jahre Freundschaft und ein riesen Danke, dass du mir mit deiner Hochzeit die Gelegenheit gegeben hast, ein mega cooles Kleid anziehen zu können. Auf euch. Auf die Liebe, die Freundschaft und auf die Dauer, die ich in den Schuhen stehen kann. Lasst es funkeln.     

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P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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