Türkische Gefühle, ein Spin-Off – oder: Wenn Figuren ein Eigenleben gewinnen

Zwei Dinge muss ich vorausschicken:

  1. Niemals war mein Ziel, eine Trilogie zu schreiben, vielmehr hatte ich von Anfang an die Idee, Jonas sein ganzes Leben zu begleiten und darüber zu schreiben. Da aus Jonas’ Sicht erzählt wurde, dachte ich schon damals, dass auch die wichtigen Figuren neben Jonas eine Würdigung in kurzen Erzählungen erhalten müssten.
  2. Afyon und Erol sind Türken in dieser Erzählung, sie könnten ebenso Ali und Reza aus dem Iran sein oder aber auch Peter und Hans aus einem konservativen bayrischen Dörfchen. Auf den ersten Blick wirken beide Figuren klischeehaft, aber bei näherem Hinsehen sind sie es nicht mehr – vor allem hat sich Afyon nach den Plattenbaugefühlen und den Türkischen Gefühlen hier sehr viel weiterentwickelt. In den Großstadtgefühlen und später in den Rauschgefühlen (ebenso astikos) lernt er immer mehr über sich und verändert sich in eine sehr interessante Richtung.

Wieso wählte ich einen Türken namens Afyon als die Person aus, in die sich Jonas in Plattenbaugefühle verliebt? Mit Afyon verband ich eine reale Person in meinen Gedanken, die tatsächlich aus dem Iran stammt. Dieser Junge ist allerdings nicht schwul, deswegen war es für mich klar, dass ich die Figur so oder so verfremden musste. Andere Nationalität, anderer Name, ein bisschen ein anderer Charakter, aber vieles stimmte trotzdem überein. Afyon war in meiner Vorstellung genauso wunderschön wie das Original. Ich begann den Roman in der Türkei zu schreiben, als ich da in Antalya im Urlaub war. Daher nahm ich einen Türken als Schwarm von Jonas. Da kam noch dazu, dass ich einen Typen kennenlernen durfte, der tatsächlich von seiner Familie verstoßen wurde, weil er schwul ist. Es lag also nahe! Ich recherchierte ein bisschen und begann zart einen Plot. Witzigerweise lernte ich in diesem Urlaub auch einen Erol kennen, den ich sehr sympathisch fand, was auf Gegenliebe stieß. Doch es war merkwürdig: er hatte eine Freundin ...

Wie auch immer: natürlich veränderte ich die Figuren auf dem Papier, natürlich hatten sie trotzdem mit mir und meinen Erfahrungen zu tun – doch sie begannen schon in den Plattenbaugefühlen ihr Eigenleben. Und eines Tages dachte ich dann: die Figuren wollen mehr sagen, sie wollen sich erklären, sie durften nicht alles aussprechen, was sie gedacht und erlebt haben. Sie wollen sich etwas mehr rechtfertigen. Und dann begann ich die Türkischen Gefühle zu schreiben. Jetzt werden sie mit Illustrationen von Roya Ashraf veröffentlicht.

Diese neue Aufmerksamkeit haben sie, glaube ich, verdient. Es werden noch mehr Spin-Offs folgen, ich denke da zum Beispiel an die Geschichte von Afyon und Ari: Afyon, als Muslim erzogen, der auf den Juden Ari trifft – sie verlieben sich und lernen den Dialog miteinander. Afyon und Jonas schafften diesen Dialog nicht, was weniger daran lag, dass sie aus zwei Kulturräumen kamen, sondern weil sie als Menschen nicht miteinander funktionierten. Wieso dies bei Ari, der Jonas ähnlich ist, nun klappt?

Aber kommen wir zu Erol, dem Cousin von Afyon zurück: Er ist ja auch ganz anders als der Jüngere. Doch etwas zwischen ihnen ist so stark, dass mehr als der Zufall sie wieder, und zwar enger als jemals zuvor, zusammenbringt. Davon berichtet diese kurze Erzählung.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

»Türkische Gefühle« ist der neue Titel in der Mikros-Reihe von astikos und erscheint am 31. Januar 2018 als eBook mit Illustrationen von Roya Ashraf.

Die Geschichte ist ein Spin-Off der Jonas-Reihe von Jannis Plastargias, in der bereits die Titel »Großstadtgefühle«, »Plattenbaugefühle« und »Rauschgefühle« erschienen sind. 

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