Wer bin ich und was tu ich hier: Katharina

Meine frühesten Erinnerungen an Orte sind die an einen Garten, der sich unendlich weit anfühlte. Alleine bis zum Rosenspalier am Ende des Rasens zu laufen, schien mir unvorstellbar, und eine der ersten Sinneseindrücke war der Wechsel von Steinplatten zu Gras unter meinen Füßen auf dem Weg von der Terrasse in den Garten. Die Natur steckte voller Wunder und Entdeckungen und ich konnte stundenlang vor mich hinspielen. Meine kleine Welt erstreckte sich maximal bis zum Kindergarten zwei Straßen weiter, und das Konzept „Stadt“ war mir fremd – und egal.

Meine Eltern hingegen wollten weg, weg aus der Provinz, weg aus der Idylle, hinein in die pulsierende Großstadt, und ich musste natürlich mit. Obwohl der Garten weg war und durch einen grauen Balkon aus Beton ersetzt wurde, schaffte ich es wieder, meinen Kosmos klein zu halten zwischen meinem Zimmer, dem Kindergarten, der Schule und dem Hof vor der Tür – dort, wo der Rasen und die Bäume waren. Nein, ich war kein typisches Stadtkind.
Der Garten – mein Kosmos
Der Garten – mein Kosmos
Das war auch der Grund dafür, dass ich jahrelang nur eine unvollständige innere Landkarte von München besaß, die Karte mit „weißen Flecken“, wie ich sie nannte. Dort, wo ich mich regelmäßig aufhielt, kannte ich drei Straßen und deren Verbindungen, aber dass man vom Königsplatz zum Hauptbahnhof laufen kann, habe ich erst mit 20 Jahren begriffen. Stadt war für mich per definitionem eine Ansammlung von Häusern mit vielen Einwohnern und wenig Garten, coolen Läden zum Shoppen und einer hohen Frequenz an öffentlichen Verkehrsmitteln, im genauen Gegensatz dazu, wo ich herkam. Dass Stadt als Begriff auch ein Lebensgefühl beinhaltet, erschloss sich mir erst während des Studiums, als ich zum ersten Mal ins Ausland ging und merkte, dass ich zwar auch die Menschen und Annehmlichkeiten von zu Hause vermisste, aber mindestens genauso sehr auch das Gefühl, „in der Stadt“ zu sein.
Katharina in der großen weiten Welt
Katharina in der großen weiten Welt
Nach meiner Rückkehr war mein erklärtes Zeil, die weißen Flecken auf meiner Landkarte zu füllen. Wie früher unseren Garten eroberte ich mir nun Stück für Stück meine Umgebung. Ich lernte die einzelnen Stadtviertel in ihrer Eigenheit kennen und lieben, entwickelte Favoriten und verwarf sie wieder. Jede Strömung meiner Stadt sog ich in mir auf, Konzerte, Ausstellungen, Festivals, Lesungen, das Sitzen an der Isar, in der Sonne Brutzeln unterhalb des Monopterus, Schimpfen auf Touristen und sein Leben auf dem Fahrrad riskieren. Mein Kosmos ist bis ins Unendliche gewachsen, und trotzdem musste ich nie meine sichere Umgebung verlassen.
Vielleicht ist deswegen München die perfekte Stadt für mich, denn nicht umsonst sagt man, München sei ein Dorf: vielen scheint es begrenzt, eng und überschaubar, aber genau das mag ich so an dieser meiner Stadt. Ich verliere mich nicht im Großstadtdschungel, wo ich mich nicht bis zum Stadtrand traue, sondern erkunde die einzelnen kleinen Orte innerhalb meiner Stadt und entdecke immer wieder etwas Neues, ohne mich zu verlieren.
Sich verlieren, das bringe ich eher mit etwas anderem in Verbindung: mit dem Lesen. Denn so sehr gerne ich den Garten meiner Kindheit erkundet habe, um so viel lieber habe ich mich dort auf die Wiese gelegt und mich in einem Buch verloren. Vielleicht war mein Kosmos im realen Leben deswegen so überschaubar, weil sich mir in Büchern jedes Mal aus Neue eine komplett neue Welt erschloss, die es zu erkunden und erleben galt. Das Erkunden und Erleben war mir sogar so zur zweiten Natur geworden, dass Germanistik die einzig sinnvolle Studienwahl schien und eigentlich jedem klar war, dass der Weg schnurgerade in die Verlagswelt führen musste. Sogar mir war das irgendwann bewusst. Mit ein wenig Glück und zielgerichtetem Scheuklakppenblick habe ich dann den Einstieg geschafft und befinde mich nun nach verschiedenen Lektoratsstellen in der großartigen Position, andere Menschen für Bücher begeistern zu dürfen – als Presse- und PR-Managerin.
Die Stadt erkunden und erleben, Urbanität entdecken und gestalten, das sind die Themen, die mich bei astikos angesprochen haben, als Nikk mir das erste Mal von diesem Projekt erzählte. Den Lebensraum, das Lebensgefühl greifbar zu machen, das man damit verbindet, „in der Stadt“ zu sein – das möchte ich mit astikos erreichen. Dabei ist auch #verlagneudenken eines meiner Herzensanliegen, denn ich möchte die Buchbranche um nichts auf der Welt tauschen – doch dazu muss sie zukunftsfähig bleiben. Damit das gelingt, muss man ausprobieren, welche Wege möglich sind, um auch in 10 Jahren noch stolz sagen zu können, „Ich arbeite in der Buchbranche“, ohne mitleidsvolle Blicke zu ernten. Und irgendjemand sollte endlich damit anfangen – warum also nicht wir?

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