Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Alle Jahre wieder

Hygge. Das Trendwort des Jahres. Die Aussprache ist genauso knifflig wie die genaue Definition. Hügge, Higge oder Hücke ist der neuste Exportschlager aus Skandinavien. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen neuen schwedischen Werbegag von IKEA, sondern die Dänen versorgen uns dieses Jahr mit Zungenbrechern und Kuscheldecken. Hygge beschreibt nämlich das Gefühl von Gemütlichkeit. Es ist nicht genau zu fassen, was der Begriff wirklich darstellt. Hygge kann eine Tasse dampfender Kaffee und ein Stück Kuchen sein. Oder einen Nachmittag mit Tee und einem Buch.

»Gemütlichkeit der Seele«, so kann man Hygge, und alles was dazu gehört, wohl am besten definieren. Die Dänen sind mitunter die glücklichsten Menschen, wie es heißt, also los, decken wir uns alle mit Kerzen, Lichterketten, schönen Tassen und Kuchen ein, und verabschieden uns einfach mal einen Tag mit einem Stapel Bücher in unserer selbstgebastelten Lichterketten-Decken-Höhle und kommen dem Hygge-Gefühl ein Stückchen näher.

Weihnachten ist natürlich die absolute Hochsaison um dies zu tun – um zu hyggen. Eigentlich.

Denn wann im Jahr gibt es so viele Kekse, Kerzen und Lichterzauber wie in der Weihnachtszeit? Das Wetter ist perfekt um Zuhause zu bleiben, sich einzukuscheln oder mit Freunden gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und einen ganzen Abend lang fettigen Käse in kleine Pfännchen zu legen. Aber ich habe ja ein eigentlich eingeworfen. Denn wer hat denn in der Weihnachtszeit bitte die Zeit, diese Gemütlichkeit wirklich in seiner Seele ankommen zu lassen? Man tut zwar so, als ob alles so schön gemütlich, besinnlich und kuschelig wäre. Jedoch bevor man wirklich gefühlsmäßig in der Stimmung ankommt, muss man schon wieder zum nächsten Termin, zur nächsten Feier, zum nächsten Glühwein mit extra Schuss.

Als ich mich so mit der Hygge Thematik beschäftigt habe, musste ich feststellen, dass meine eigenen kleinen bis großen Traditionen, schon sehr nahe an dieses Wohlfühlkonzept rankommen, ohne dass ich jemals wusste, dass ich Hygge betreibe. Ich bin nämlich ein absoluter Weihnachtself. Es ist meine Zeit im Jahr und ich habe einige Dinge, die jedes Jahr immer wieder getan werden müssen, sonst ist für mich kein Weihnachten. Also lasst mich euch kurz meinen kleinen Weihnachtstraditions-Zirkus erläutern: Alles beginnt Ende November damit, dass ich meine Wohnstätte weihnachtlich dekoriere. Explizite Weihnachtskerzen, Figuren, Lichterketten. Momentan stehe ich total darauf, alles wie Vasen und große Gläser mit Christbaumkugeln zu befüllen. Sieht wirklich zauberhaft aus – Dankschreiben für diesen Tipp bitte an astikos. Ich räume das Zeug auch konsequent zwischen den Jahren wieder weg. Ein Ding, was meine Eltern früher noch nie verstanden haben, für sie – beide in der Weihnachtszeit wie alle Erwachsenen Menschen, so im Stress, dass Weihnachten für sie eigentlich erst wirklich am 23.12 abends vorm Einschlafen beginnt – kommt die Weihnachtsstimmung erst zwischen den Jahren wirklich auf. Aber ich als Kind, und immer noch als Studentin, habe den Luxus, mein Ding schon ab dem 01.12 durchzuziehen, sodass es mir ab dem 27.12 dann auch schon wieder reicht. Denn ist mein Zimmer oder heuer meine Wohnung erst mal dekoriert, geht es los mit allen Steps die erfüllt werden müssen, dass für mich Weihnachten kommen darf:  Ich muss mindestens einmal in der Adventszeit mit Weihnachtsmusik und Tee daheim sitzen und basteln. Ich bastle sonst nie, ich nehme es mir auch so mal vor, aber es wirklich tun? Nein. Außer einmal im Jahr, einmal zu Weihnachten.

Zudem habe ich eine explizite Liste an Weihnachtsfilmen, die jedes Jahr sein müssen, bestehend aus »Santa Claus 2« (Ja ich besitze natürlich die DVD-Box mit allen drei Filmen, aber wirklich mag ich nur den zweiten. So schön wie Tim Allen um Mrs. Santa wirbt und das Rentier das zu viel Süßes isst um zu fliegen und die Zahnfee… naja weiter geht’s), »Liebe braucht keine Ferien«, »Tatsächlich Liebe«, »Sissy« sowie »A Christmas Carol« in unzähligen Ausführungen. Die wunderschöne Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens über die drei Geister der Weihnacht, die Millionen Mal adaptiert wurde. »Die Geister die ich rief« natürlich ganz oben mit dabei. Aber jetzt verrate ich euch etwas ziemlich geheimes und peinliches: die animierte Kinderversion von Barbie ist mir am allerliebsten und ja, ich besitze sie auf DVD.  Wenn ich das erledigt habe, gibt es zudem noch eine Weihnachts-CD mit Geschichten, die ich mir anhören muss, darunter am Liebsten »das Geschenk der Weisen« von O. Henry. Hört es euch an oder lest es. Eine traumhaft schöne kitschige Geschichte, die mich Jahr für Jahr aufs Neue berührt. Und zu guter Letzt: meine Weihnachtskochbücher. Ich habe generell ein Faible für Kochbücher. Aber nur für den Besitz von Kochbüchern. Ich schaue sie mir liebend gerne an, aber ich koche eigentlich nie etwas daraus. Genauso zu Weihnachten, auch hier habe ich eine Auswahl von den immer gleichen Büchern, die ich einmal durchgeblättert haben muss, am liebsten dann, wenn meine Familie schon Plätzchen gebacken hat, die ich dabei futtern kann und gar nicht auf die Idee kommen muss, doch noch selbst welche zu backen.

Ja ich weiß, ich bin ein Freak. Jedes Jahr die gleichen Filme, Hörbücher und Bücher. Aber ohne das ist für mich kein Weihnachten.

Ich hoffe jedenfalls dass ich mir auch mit steigendem Alter und Verantwortung im Beruf diese kleine Langsamkeit im Jahr erhalten kann. Wenigstens vom 01.12. bis zum 27.12. noch einmal Kind sein und mir diesen Zauber – nennen wir es jetzt mal ganz hip Hygge –, dieses Hygge Gefühl an Weihnachten selbst schenken kann. Auch wenn ich sämtliche Dialoge von Romy Schneider mitsprechen kann. Die von Karlheinz Böhm natürlich auch. Viva la Mama und Frohe Weihnachten.

Falls ihr mehr lesen möchtet von Julia, dann seht auch hier mal rein

P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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