Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Was man alles von Tinder-Männern bekommen kann

Ja, es ist uns allen klar: bei Tinder geht es um Sex. Wer hier seine große Liebe finden will, ist höchstwahrscheinlich falsch. Ich schließe nicht aus, dass dies zufällig passieren kann. Dann aber nur recht zufällig, während zwei Menschen – wahrscheinlich eher nur ein Mensch – prinzipiell nur Geschlechtsverkehr suchte.

Wenn man sich dies bewusst macht und man mit diesem Wissen leben kann, kann die App recht viel Spaß machen. Auch unabhängig vom horizontalen. Denn wenn man alles nicht ganz so ernst nimmt, dann ereignen sich immer öfter Begebenheiten, die auch ZynikerInnen noch staunen lassen können.

Heute erzähle ich euch nämlich davon, was man neben einem Orgasmus (toi toi toi) noch  alles von einem Tinder-Mann bekommen kann.

Wie ich an einer anderen Stelle schon einmal erzählte, bekam ich bei einem ersten Date mal ein buddhistisches Armband geschenkt. Das Date war reichlich kurios, das Armband trug ich dennoch gerne. So trug ich das Lama bespuckte Band einige Zeit an meinem Handgelenk. Es ließ mich schmunzeln und befriedigte gleichzeitig die kleine Mindful-Hipsterin in mir. Wenn der selbstgebundene Knoten sich nicht ständig gelöst hätte, würde ich es sicherlich heute noch tragen. Jetzt liegt es in meinem Schmuckkästchen und wartet auf meine Erleuchtung.

Ein anderes Mal schrieb ich mit einem Mann ewiglange Dialoge über Literatur im Allgemeinen, unsere Lieblingswerke im Genauen. Über Jazz, über Kunst und über den Traum der Avantgarde. Unser erstes Treffen wurde durch zeitliche und berufliche Probleme immer wieder nach hinten geschoben, aber unsere schriftlichen Unterhaltungen immer intensiver. Unser erstes Treffen fand dann irgendwann an einem schönen Herbsttag statt. Mein Geburtstag lag schon etwas in der Vergangenheit. Nichtsdestotrotz hat mein Date – ich schwöre ohne irgendwelche Hintergedanken, denn dazu kam es in beidseitigem Einverständnis nie – ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk für mich dabei. Ein von ihm ausgewähltes Buch für mich. Dieses Buch hat einen ganz besonderen Platz in meinem Bücherregal. Denn egal wann mein Blick den Buchrücken streift, muss ich daran denken, wie einfach nur der Gedanke an mich einen noch wildfremden Menschen dazu veranlasste, in eine Buchhandlung zu gehen und dieses Buch zu kaufen. Ich liebe diesen Gedanken, er rührt mich bis heute. Und diesen Mann, unsere Dialoge, unser Glas Wein werde ich niemals vergessen. Auch wenn die ewiglange Schreiberei Erwartungen erschuf, die zwei ganz normale Menschen niemals erfüllen konnten.

Dies waren jetzt zwei Geschichten von Geschenken. Themen, die euch bestimmt so semi interessieren. Es waren ja schließlich Geschenke für mich und nicht für euch. Aber die dritte Begebenheit war nichts materielles, aber das perfekte Beispiel wie Tinder auch fernab von Sex in irgendeiner Weise Menschen zusammenbringen kann.

Es begab sich zu einer Zeit, als ich noch zuhause wohnte und jeden Tag nach Frankfurt pendeln musste. Es war einer dieser Tage vor einigen Jahren als ständig öffentliche Warnstreiks im Frankfurter Nahverkehr stattfanden. So stand ich an meinem gängigen Umstiegebahnhof und war dem streikenden Wahnsinn ausgesetzt. Es hieß, es würden vereinzelt Züge fahren. Nur wann genau?  Keine Auskunft: lasst euch überraschen. Um mir die Zeit zu vertreiben, schrieb ich mit einigen damals aktuellen Matches und regte mich über alles und die Welt auf. Plötzlich antwortete einer der Matches, er würde ganz in der Nähe zu meinem Bahnhof arbeiten und gleich nach Frankfurt zurückfahren. Ob er mich mitnehmen soll?

Mir ist bewusst dass ich jetzt – wenn diese Kolumne am Sonntag erscheint – unfassbaren Ärger von meiner Mutter erhalten werde. Hat sie mir doch immer beigebracht, niemals, aber auch wirklich niemals ins Auto eines fremden Mannes zu steigen! Aber was soll ich sagen? Ich bin erwachsen und hatte absolut keine Lust mehr noch länger an diesem Bahnhof zu stehen. Es ist auch gar nichts passiert. Er kam, ich stieg ein, wir unterhielten uns, bis er mich an der Uni wie vereinbart wieder absetzte. Er war ziemlich arrogant. Aber was soll‘s. Schließlich konnte ich durch ihn den leidigen Streik umgehen.

Wie ihr seht ist Tinder eine Universal-App. Sie beschert dir unfassbar viele Möglichkeiten. Lässt dich die neusten In-Locations der Stadt entdecken, ersetzt den Besuch in der Buchhandlung oder beim Juwelier. Die App beschäftigt dich in langweiligen Momenten und fungiert zu dem als Uber Alternative. Was will man mehr? Ein paar weniger Penisfotos wären nett, aber das ist eine andere Geschichte …

Falls ihr mehr über Julia erfahren möchtet, dann seht euch ihre Facebook-Seite an!

facebook.com/julesalmondautorin

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