Ada Rabenstern – literarische Gastbeiträge

Unsere Gastbloggerin Ada hat heute wieder zwei Texte für euch. Neben dem älteren, sehr schönen Text „Liebe“ wieder einen ganz neuen – noch unveröffentlichten Text „Memento mori“.

Liebe

Ich glaube, die meisten Menschen wissen nicht, wovon sie reden, wenn sie von Einsamkeit sprechen. Vielleicht, so wie ich nicht weiß, wovon ich rede, wenn ich über Liebe spreche. Manchmal bin ich mir ganz sicher, dass wir nicht dasselbe meinen, wenn wir „Liebe“ sagen – ich und die anderen. Kein Mensch weiß, was Liebe ist, aber man hat etwas Bestimmtes im Sinn, wenn man das Wort ausspricht.

Liebe ist nichts. Ein Wort, hinter dem sich alles verstecken kann, ist ein leeres Wort. Liebe ist ein nützlicher Mechanismus, der uns aneinander bindet. Jemanden lieben heißt, sich jemandem anzuschließen, eine Gruppe zu bilden; eine Gruppe ist stärker als ein Einzelner. Eine Gruppe hat höhere Überlebenschancen. Zu einer Gruppe zu gehören, bedeutet nicht einsam zu sein.

Vielleicht bin ich nur einsam, weil ich nie verstanden habe, was die anderen mit Liebe meinen. Vielleicht bin ich einfach ein Idiot, der immer noch an Märchen glaubt, der Träume für wahr hält, der immer noch nach Luftschlössern sucht. Das dumme kleine Mädchen, das nicht aufhören will, auf den Prinzen zu warten. Oder auf die Prinzessin, da bin ich nicht so. Allein der Gedanke löst in mir Brechreiz aus. Ich bin kein Romantiker. War es nie und vor allem: wollte es nie sein. Ich möchte kein totes Gestrüpp geschenkt bekommen, Liebesfilme lassen mich flüchten und ein Essen bei Kerzenschein treibt mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Aber wenn ich ehrlich zu mir bin (und manchmal bin ich das tatsächlich): Ich bin hoffnungslos romantisch. Ich träume immer noch von einer Liebe, die es nicht gibt. Von einem Menschen, den ich so lieben kann, wie ich lieben möchte. Einem Menschen, der mich wirklich versteht, und trotzdem besser mit dem Leben klarkommt als ich. Einem Menschen, der weiß, wovon er redet, wenn er von Einsamkeit spricht.

Manchmal erahne ich so etwas in anderen Menschen … Diese Menschen halte ich für besonders, für wertvoll – irgendwie erscheinen sie mir besser als der dumpfe Rest. Aber da ich gerade in der Stimmung für Ehrlichkeit bin: Sie sind doch nichts als Clowns. Spinner, Träumer, Narren, die den nützlichen Rest der Menschheit bei Laune halten. Vielleicht ist es so einfach. Vielleicht muss ich mich nur endlich entscheiden, auf welcher Seite ich stehen möchte.

Memento mori

Ich wollte nie viel vom Leben. Im Grunde wollte ich immer einfach nur sein. Ich wollte nur ein Nest, eine Nische, mein eigenes kleines Biotop, in dem ich mich verstecken kann, wenn ich muss. In dem ich allein sein kann. Ein Ort, an dem ich mich mit meiner zusammengesammelten Familie treffen kann. (Normalerweise nenne ich sie „Teilchen“, weil ich eher so der romantische Typ bin.) Ein Ort, an dem ich mit ihnen und mit mir SEIN kann. Und mit niemandem sein muss. Ein sicherer Ort. Ein Wunderland außerhalb meines Kopfes. Wirklich, es ist nicht viel: schlafen, essen, vögeln, hin und wieder besoffen sein, Geschichten und Musik hören, Gedanken konservieren und rausfinden, wo die Grenzen meines Hirns liegen. Ungefähr in dieser Reihenfolge … Ich brauche keinen Erfolg, keinen Job, kein Geld, ich will mich nicht reproduzieren, ich will nur sein, nur leben, bis ich tot bin. Memento mori, so wie ich es verstehe. Natürlich. Also lebe ich – zumindest dann, wenn ich es schaffe, mir auszuweichen.
Natürlich.

foto_ada

Falls euch Ada Rabensterns Texte auch gefallen haben, dürft ihr euch schon jetzt auf weitere Gastbeiträge freuen. Oder – bei akuter Ungeduld –  einen Blick auf ihre eigene Seite werfen.

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