Ich liebe das Großstadtleben und ich liebe es viele Projekte nebeneinander zu haben. Wenn ich in meine alte Heimat fahre, beginne ich mich schnell zu langweilen, in Kehl am Rhein ist mir dann doch zu viel Ruhe und Entschleunigung. Wenn ich Projekte abschließe und entscheide, zukünftig weniger davon zu machen, langweile ich mich ebenso: mir fehlt dann sowohl der In- als auch der Output. So ist dieses Jahr 2017 für mich der richtige Zeitpunkt, eine gescheite Work-Life-Balance hinzubekommen. Nachdem ich im letzten Jahr plötzlich in einem Burnout landete, gegen das ich monatelang ankämpfte, brauchte ich dann im Dezember/ Januar 4,5 Wochen Pause von allem, ich habe das erste Mal seit langer, langer Zeit, gar nichts gearbeitet – und dabei gemerkt, wie schwer mir das fällt.
Für 2017 nahm ich mir dann vor, anders zu agieren, neue Prioritäten zu setzen. Und jetzt nehme ich mir alle Freiräume, die ich brauche. Fünf Tage Bildungsurlaub mit Yoga auf dem Schloss – leiste ich mir! Sechs Tage Belgien ganz alleine – leiste ich mir! Ein Wochenende in Amsterdam auf dem Hausboot mit Freund*innen – leiste ich mir. Ein weiteres langes Wochenende in Holland an der Nordsee – auch das leiste ich mir. Ein Party-Wochenende in Frankfurt, an dem ich richtig unvernünftig bin, Alkohol und Drogen konsumiere, noch einmal wie ein Zwanzigjähriger bin – leiste ich mir! Einmal die Woche zu einem Konzert gehen – leiste ich mir! Einmal die Woche ins Kino – leiste ich mir! Alle zwei drei Wochen zur Massage – auch das leiste ich mir!
Die Aufzählung klingt nach Stress, ich weiß! Woher nimmt er die ganze Zeit? Aber so effektiv ich arbeite (keine sinnlosen Meetings, keine Brainstormings, immer das Einhalten von Clean Desk und nicht mehr das Unmögliche versuchen) so effektiv bin ich in meiner Freizeit (keine stundenlange Telefonate, kein unnötiges Surfen, keine Zeit mit über irgendwas ärgern verbringen, lieber mal was essen gehen und Geld ausgeben als sich noch den Stress machen, nach Feierabend in den vollen Supermarkt zu gehen). Und auch die ganzen Dinge, die ich mir gönne, die kleine Oasen in meinem Alltag, genieße ich bewusst und erfreue mich darüber. Ich weiß, dass dies alles ein Luxus ist – und diesen wertschätze ich auch. Es geht nicht um den Konsum, es geht darum, dass mich diese Sachen entspannen, mir auch Sinn geben.
Es ist schwer, das richtige Maß zu finden. Wann ist die Work-Life-Balance gewährleistet? Welches Projekt erfüllt mich mit Sinn, macht mich froh, welcher Stress lohnt sich – oder welches Projekt muss ich wieder loswerden und stattdessen die Zeit genießen? Wann arbeite ich mal an einem Tag mehr als zehn Stunden, um ein langes Wochenende genießen zu können? Wenn ich von Work-Life-Balance rede, rede ich seltsamerweise von Effizienz, obwohl das nur auf Arbeit hinweist. Allerdings ist eine Struktur im Leben zu haben, das wichtigste an der Work-Life-Balance. So wie ich ein Clean Desk bei der Arbeit habe, wenn ich ins Wochenende starte, muss ich auch genau planen, wann ich zur Massage, ins Konzert oder ins Kino gehe. Lange Wochenenden planen klingt auch nach Arbeit. Das trifft ja tatsächlich zu. Aber es ist kein Stress, wenn ich mir bewusst werde, was ich dann alles daraus ziehen werde, wenn ich gemütlich auf dem Hausboot in Amsterdam liege, in den Himmel schaue und glücklich bin. Wenn ich am Meer rumhüpfe und mich wie ein kleines Kind freue. Und dann kehre ich entspannt in den Alltag zurück und lächle vor mich hin – und vor allem freue ich mich dann wieder auf die Projekte, auf das Arbeiten, auf die Ziele, auf die ich hinarbeite …