Genossin und Genosse für eine Stunde – unsere Session auf dem #astiday

Als Veranstalter eines ganzen Aktionstages hat man ja die Freiheit, das Programm ganz nach seiner Façon zu gestalten. Und man wäre ja blöd, wenn man diese Chance nicht nutzen würde, um sich selbst den interessierten Gästen näher vorzustellen – in Form einer Session, die, weil nicht als reine Werbeveranstaltung gedacht, den Zuhörerinnen und Zuhörern die Möglichkeit bietet, selbst in die Welt der Genossenschaften und moderner Verlagsführung einzutauchen.

Zu diesen Zweck benannten wir den Programmpunkt: »Warum astikos und wie geht das? – Unsere Idee für die urbane Literaturvielfalt und wie wir sie gemeinsam (mit Dir?) in die Zukunft bringen.«, hinter dem sich die Idee einer Stunde gemeinsamer Entscheidungsfindung verbarg. Genossin und Genosse für eine Stunde quasi, unter Anleitung der Altgenossinen Katha und mir, Kitty.

Die Zuhörerschaft der Session war erfreulicherweise bunt gemischt. Neben bekannten Gesichtern aus der Buchbranche, die zumindest die althergebrachten Arbeitsweisen klassischer Verlage kannten, freuten wir uns besonders über branchen- und fachfremde Besucherinnen und Besucher. Man neigt ja leicht dazu, Arbeitsweisen, Branchenwissen und Gepflogenheiten als bekannt vorauszusetzen und nicht weiter zu hinterfragen – mit »unwissenden« Gästen passiert das nicht so leicht.

Probeabstimmung: Die #fbm16 Wildcard

Nach einer kurzen Einführung zu unserem Verlag und den Besonderheiten einerseits einer Genossenschaft als Geschäftsform und einer Konsensdemokratie als Entscheidungskriterium andererseits warfen wir die Teilzeitgenossinnen und -genossen gleich ins kalte Wasser: die Probeabstimmung. In diesem Jahr vergibt die Frankfurter Buchmesse wieder eine Wildcard für einen Buchmessestand – und wir wollten wissen, ob wir uns wieder bewerben sollten.

Mit Hilfe des »Spickzettels«, wie man seine Zustimmung am besten ausdrückt, konnten sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer schnell entscheiden, und die Entscheidung PRO Bewerbung wurde ohne Veto einstimmig beschlossen. Wir haben also bis Ende Mai einen Auftrag der Genossinnen und Genossen zu erfüllen!

Cover sind wichtiger als Amazon

Für die weiteren Themen, die Katha und ich zur Abstimmung vorbereitet hatten, ließen wir die Genossinnen und Genossen wiederum ihre Präferenzen kundtun:

  • Soll eines unserer Bücher probeweise bei Amazon gelistet werden, obwohl wir uns strategisch gegen Amazon entschieden hatten?
  • Welches der drei vorgeschlagenen Cover zu »Türkische Gefühle« soll weiter ausgearbeitet werden?
  • Gibt es eine Gender-Schreibweise, auf die wir uns einigen können, damit diese einheitlich in allen öffentlichen Texten (Flyer, Website, Blog, …) – nicht in den Büchern – verwendet werden kann?

Die Abstimmung per Handzeichen zeigte deutlich, dass eine klassische Cover-Diskussion anscheinend mehr Freunde gewinnt (fast alle stimmten dafür) als die leidige Amazon-Diskussion, die nur zwei Handzeichen erhielt. Nach einer kurzen Einführung zum Titel ging es auch gleich los: Zur Auswahl standen drei Cover zu »Türkische Gefühle« von Jannis Plastargias, das demnächst bei uns im Programm erscheinen wird. Gerade hier war sehr spannend zu beobachten, wie die branchenfremden Zuhörerinnen und Zuhörer mit einem ganz anderen Blick auf die Cover reagierten und auf ganz andere Details achteten als die alten Verlagshasen – aber selbst den Profis fiel nicht auf, dass auf den Vorschlägen noch gar kein Verlagslogo zu sehen war 😉

astiday Abstimmung Cover

Für uns erfreulich war, dass die ersten beiden Cover jeweils mindestens ein Veto einstecken mussten, das dritte Cover in der Reihe aber trotz einiger Stimmen mit »4« ohne Veto auskam und damit einstimmig angenommen wurde. Wir haben somit gleichzeitig eine kleine Marktforschung UND eine konsensdemokratische Entscheidung in einem abgehalten – und freuen uns darauf, wie die Ausarbeitung des Covers am Ende bei den Leserinnen und Lesern ankommen wird.

Geh mir weg mit »Gender« – Die Diskussion

Ihr werdet beim Lesen dieses Textes vielleicht schon darauf gestoßen sein – die genderfähigen Substantive wie Teilnehmer, Zuhörer, Genosse et. al. sind durchgehend mit der weiblichen und männlichen Form ausgeschrieben. Die Diskussion, ob und wenn ja, wie wir gendern, führen wir intern schon länger, und immer wieder stehen den vielen »1« voller Zustimmung eine oder zwei »5« für ein Veto gegenüber. Diese Debatte ist also nicht so einfach zu lösen. Da die Texte, die von dieser Frage betroffen sind, vor allem diejenigen sind, die IHR zu lesen bekommt, also Blogtexte, Flyer, etc., kamen wir auf die Idee, diese Abstimmung mit in die Session zu nehmen.

Warum sollte man überhaupt gendern, also gendergerecht bzw. genderneutral formulieren? Nun, vor allem, weil durch Sprache Bilder in unserem Kopf entstehen. Auch wenn viele argumentieren, Frauen seien ja automatisch bei einer männlichen Formulierung mitgemeint, ist es doch ein Unterschied, ob ich sage: »Der Verlag sucht zum nächstmöglichen Termin einen Lektor« oder: »Der Verlag sucht zum nächstmöglichen Termin einen Lektor/eine Lektorin.« Unserer Meinung nach drückt die Nennung aller Geschlechter die Gleichbehandlung von Frauen und Männer als demokratisches Prinzip aus. Gendergerechte Sprache zeigt Wertschätzung gegenüber allen Menschen, unabhängig ihres Geschlechts.

Das eigentliche Problem allerdings, hat man sich einmal auf die gendergerechte Formulierung geeinigt, ist die genaue Schreibweise. Mittlerweile gibt es vielfältige Ideen und Vorschläge, die alle ihre Berechtigung haben – entscheiden muss man aber selbst. Interessanterweise fragten wir die Tendenzen der Session-Teilnehmerinnen und Teilnehmer bezüglich gendergerechter Formulierungen kurz ab – und erhielten ein einziges Veto; auf Nachfrage stellte sich heraus, dass die Teilnehmerin zum einen nicht in der Medienbranche, sondern der Industrie arbeitet (Englisch als Geschäftssprache) und das Gendern von Texten nur aus Gründen der (Un-)Lesbarkeit ablehnt. Mit Ausblick auf die verschiedenen möglichen Schreibweisen lenkte sie aber ein, da es eine Schreibweise gäbe, mit der sie leben könne.

Wir hatten im Vorfeld aus den vielen möglichen Schreibweisen (eine Übersicht auch weiterer Formen findet man unter »Geschickt Gendern – Muss das sein?!«) folgende für die Abstimmung ausgewählt (mit Dank an Leander Wattig für den siebten Vorschlag):

astiday – Genossin und Genosse für eine Stunde // Schreibweise

Vorschlag Nummer 5 meint dabei, die männliche Form zu verwenden, diese aber mit einem Hinweis wir etwa einer Fußnote, zu versehen und darauf hinzuweisen, dass immer auch die weibliche Schreibweise gemeint ist.

Es wird nicht verwundern, dass die Abstimmung sehr gemischt war. Jeder Vorschlag erhielt sämtliche Abstimmungsstufen von »1« bis »5« in wechselnder Zusammensetzung. Lediglich der erste Vorschlag – Genossinnen und Genossen – erhielt lediglich eine einzige »5«.  Das Ergebnis zeigt also eine Tendenz (die deswegen auch in diesem Text so umgesetzt wurde, um schon einmal den Lesefluss zu testen), muss aber noch durch Diskussion zu einem Konsens gebracht werden. Da wir diesen in der astiday-Session aufgrund der fehlenden Zeit nicht erreichen konnten, haben wir uns gerade für solche Fragen eine mögliche Lösung überlegt, die euch auch in Zukunft noch stärker mit in Entscheidungsprozesse mit einbezieht.

Zu diesem Zweck haben wir ein Forum eingerichtet: das astiforum. Dort könnt ihr zu Themen wie beispielsweise der präferierten Gender-Schreibweise oder auch dem am astiday nicht behandelten Amazon-Probetitel Stellung beziehen und uns eure Meinung mitteilen. Weitere Themen von unserer Seite kommen bald hinzu, und ihr selbst habt darüber hinaus die Möglichkeit, für euch wichtige Fragen an uns offen zu stellen.

Katha und ich möchten an dieser Stelle allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern danken – alle haben sich sehr engagiert in die Diskussionen eingebracht und uns wichtige Impulse mit auf den Weg gegeben. Wir würden uns sehr freuen, einige von euch im astiforum wiederzusehen!

Kitty und Katha führen durch "Genosse für eine Stunde"

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