Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Tinder and the City

Die Skyline glitzert. Der Main funkelt. Die unzähligen Restaurants erfüllen die Straßen mit ihrem Duft. Frankfurt kann so schön sein. Ganz besonders wenn man verliebt ist.

»Boah Jules, Frankfurt hat sooo schöne Ecken. Das war mir vorher gar nicht so klar.«, schrieb mir vor kurzem eine Darmstädter Freundin. Was sie zu dieser Aussage veranlasste? Sie datet gerade einen Mann. Wie Schmetterlinge im Bauch doch die Wahrnehmung beeinflussen. Mir waren die unzähligen Möglichkeiten Frankfurts schon länger bewusst. Denn mit dieser ganz bestimmten App auf dem Handy und den hohen Schuhen an den Füßen versuche ich ja schon eine geraume Zeit Mr. Right zu finden und stolpere dabei über jede Menge Cafés, Restaurants, Bars und vor allem: über die richtigen Geschichten zum Erzählen.

Heute nehme ich Euch mit zu einem ganz bestimmten zweiten Date: Ich bin gerade frisch nach Frankfurt gezogen, er auch. Er hat Geld und will gut, sehr gut essen gehen. Was machst du, wenn du noch nichts anderes kennst als den Express Thailänder um die Ecke? Genau, du fragst deinen Exklusivität liebenden schwulen Arbeitskollegen nach Rat. Er rät mir zum VaiVai. Ich schicke dem Mann die Website und lasse ihn entscheiden, ob die Steakauswahl mundet. Er reserviert. Wie immer treffe ich zu früh im Grüneburgweg ein. Die schicke Dame am Empfangstresen ist so zuvorkommend mich zu meinem Platz führen zu wollen, jedoch erst wenn ich ihr den Namen der Reservierung nenne. Joaaa. Das ist mein zweites Date mit ihm. Körperflüssigkeiten tauscht man heute schneller aus als Nachnamen. Ob mein Tinder Match als Reservierungsbestätigung zählt? Ich versuche es mit einer langgezogenen, die augenzusammenkneifenden Nennung des Vornamens. Sie versteht Gott sei Dank und vervollständigt für mich den vollen Namen und führt mich zum Tisch.

Nachdem mein Date eingetroffen ist, geht es bei den Kellnern Schlag auf Schlag. Karte hier. Aperitif dort. Möchten sie eine Flasche Wein? Der Chefkoch empfiehlt. Moment, ich schüttele ihnen die Serviette auf. Der Mann nimmt Steak. Ich die günstigste  Pasta auf der Karte. Es ist ein typisches Gericht für Studenten: Nudeln mit Tomatensoße und kleingeschnittenen Würstchen. Im VaiVai nennen sie die Würstchen Salsiccia und kosten sogleich 23 Euro. Die Atmosphäre zahlt man halt gleich mit. Die edle und moderne Einrichtung besticht, ein Barbereich vor dem eigentlichen Restaurant lädt  zum After Work-Cocktail ein und große Fenster fluten den Raum mit Licht. Das Beste am VaiVai sind jedoch die Kellner. Denn als der letzte Bissen Steak von meinem Begleiter verspeist wurde, beginnt dieser auch zugleich offensiv seine Flirting-Expertise auszupacken. Ziel seiner Begierde: meine Augen. Ja wirklich, die im Gesicht. Das VaiVai muss wohl aphrodisierende Gewürze verströmen, denn mein Date hört gar nicht mehr auf über das funkelnde, leuchtende, blabla meiner Augen zu sprechen. Der Kellner, der fix die leeren Teller abräumen sollte, hat jedoch auch ein paar dieser Gewürze geschnupft, denn er bleibt mit den Tellern in der Hand neben meiner Begleitung stehen, schaut mich an und sagt: »Die sind aber auch wirklich schön.« Und so plaudern der Kellner und mein Date nun eine gefühlte Ewigkeit über mein Aussehen. Dass die viel beklatschten schönen Augen so langsam die Augenbrauen skeptisch sowie genervt nach oben verziehen, fällt den beiden gar nicht auf. Wo war nochmal diese coole Bar? Ich brauch was hochprozentiges, denn das tun die beiden nicht leise und diskret, sondern wie die Best Buddys im Stadion. Ich habe das Gefühl sie verhandeln gerade, wie viele Kamele ich so wert wäre. Gott sei Dank hat der Kellner noch mehr Tomatensoße mit Würstchen zu verteilen und lässt uns irgendwann wieder alleine. Meine Begleitung grinst anzüglich und ich bestelle den teuersten Gin auf der Karte. Tja, bei einer solch großspurigen Begutachtung seines »Fangs«, sollten sich meine Augen auch was kosten lassen. Falls das eine Spirituosen verkaufssteigernde Masche vom VaiVai sein sollte: Hut ab, es hat geklappt.

Prost.

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