Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Plus Eins

Ende August war ich mal wieder auf einer Hochzeit. Auf der dritten meines Lebens. Auf der ersten war ich mit einer männlichen Begleitung. Auf der zweiten mit meiner Familie und auf der dritten alleine.

In dieser Kolumne die du gerade liest, soll es aber dieses Mal nicht um die wunderschöne Hochzeitsfeier gehen. Nicht um die unfassbar persönliche und tränenreiche Trauung. Nicht um die liebevollen Reden, nicht um die wunderschöne Braut. Sondern um mein fehlendes Plus Eins. Die Hochzeit fand nicht in Frankfurt statt sondern im Pott. Ich reiste mit einem befreundeten Pärchen an. Die einzigen anderen Gäste, die ich wirklich kannte. Die Braut, der weibliche Part des Pärchens und ich waren einmal Kolleginnen und sind heute Freundinnen. Bis zur Hochzeit machte ich mir eigentlich keinerlei Gedanken, dass ich ein Single Gast sein werde. Wirklich! Es war mir eigentlich bis zum Zeitpunkt, als ich mit zugekniffenen Augen alle anderen Gäste – Gastpärchen – im Raum musterte, nicht bewusst. Ich hatte ja meine Freundin. Wir würden einfach ein fabelhaftes, alle umhauendes Freunde-Dreieck bilden. Aber Hochzeiten sind kein Ort für Freundschaftsdreiecke. Um mich rum war die pure Liebe. Um mich herum waren nur Pärchen. Pärchen die sich unterhielten, Pärchen die sich mit Gummibärchen aus der Candy Bar fütterten. Pärchen die Pärchenfotos machten. Pärchen die sich verliebt und ganz tief in die Augen schauten – unentwegt. Und ach ja, es gab natürlich einen Haufen Kinder. Einen Haufen Pärchen die schon längst zu Ehepartnern geworden waren und jetzt ihren süßen kleinen Kindern in Kleidchen hinterherhechten um einen Berg an  Glasbruch zu vermeiden.

Egal wie gefestigt du in deinem Singlesein bist, auf Hochzeiten gerät es mächtig aus dem Gleichgewicht. Auch wenn du mit FreundInnen dort bist und die ganz süß sind und sich auch mit dir ihre Gummibärchen teilen und dich auch mal für ein Foto in ihre Mitte nehmen: Hochzeiten sind definitiv keine Orte für Singles. Aber was tun, außer sich der Weinauswahl zu widmen und betrunken deprimierte Texte ins Gästebuch zu schreiben? »Ihr habt Euch also dazu entschieden bis zur Scheidung zusammenzubleiben – Masel Tov.«

Dafür bitte weiterlesen.

Neben mir saß ganz nach Sitzordnung eine Freundin der Braut. Neben ihr natürlich ihr Plus Eins. Diese Freundin habe ich schon einmal auf einem Geburtstag kennengelernt. Eine wunderschöne, rothaarige, großgewachsene Stewardess. Wir teilen uns den Vornamen, aber insgeheim teilen wir uns auch den Beziehungsstatus Single. Aber dazu später mehr. Ihre Begleitung war ein ebenso wunderschöner Steward. Und für alle anwesenden definitiv als schwul zu erkennen. Für alle Hochzeitsgäste nun eine unfassbar verwirrende Begebenheit – gerät man doch ganz unweigerlich in den Gedankenstrudel: Gast + Plus Eins = Paar. Abweichungen sind nicht einkalkuliert. Abweichungen würden den Verliebtheitstaumel an Hochzeiten unweigerlich irritieren. Doch meine hübsche Stewardess errichtet sich gegen das geltende Establishment während sich die anwesenden Gäste unentwegt dachten: »Ach Gottchen, sollen wir diesem hübschen Ding sagen, dass ihr neuer Freund schwul ist? Wieso merkt sie das denn selbst nicht?«

Nach dem Kuchen war meine Sitznachbarin kurz auf der Toilette und ich kam mit ihrem Begleiter unweigerlich ins Gespräch und konnte nicht anders als irgendwie einstreuen zu müssen »ihr seid wirklich ein ganz süßes Paar«. Er schmunzelte nur und bedankte sich selbstbewusst. Die kleine Tratschtante muss jedoch gleich zu ihr gelaufen sein, denn besagte Stewardess kam kurz darauf auf mich zu und nahm mich mit einem Glas Wein zur Seite: »Du, wir sind kein Paar.« Und dann weihte sie mich in ihr kleines Geheimnis ein: Sie war vor kurzem auf einer Hochzeit – genau wie ich ohne Begleitung. Das Brautpaar war jedoch, anders als die jetzt heirateten Herzensmenschen, Sadisten und sahen in der Sitzordnung wahrlich einen Singletisch vor. Einen Tisch an dem all die Reste der Gästeliste Platz fanden. Alle Gäste, die sich erdreisteten ganz allein auf einer Hochzeit zu erscheinen. Weil sie nicht liebenswert oder eher anpassungsfähig sind, wie Menschen, die es zu einem Pärchen geschafft haben. Es muss wohl unfassbar schrecklich gewesen sein an diesem Tisch sitzen zu müssen, sodass sich meine hübsche Stewardess dachte: Nie wieder, nicht mit ihr. Sie schwor sich, nie wieder alleine auf eine Hochzeit zu müssen, auch wenn sie natürlich ansonsten ganz happy mit ihrem unabhängigen in der Welt herumfliegenden Single-Ich ist. So sagte sie unserer gemeinsamen Freundin – der Braut – einfach, dass sie mit jemandem kommen wird und et Voila hatte sie mit ihrem ganz entzückenden Schwulen und unfassbar gutaussehenden Arbeitskollegen den perfekten Begleiter für jede Hochzeit! Sie erlaubte mir natürlich diesen Life Hack bei weiteren Hochzeiten ebenfalls anzuwenden – sind wir ja Schwestern im Geiste. Die nächste Hochzeit kommt bestimmt. Aber egal in welcher Phase ich mich in meinem Leben befinde – ab jetzt sicherlich nie wieder alleine. Denn seien wir doch mal ganz, ganz ehrlich: Liebe kommt und Liebe geht. Aber der Schwule beste Freund, der bleibt!

Falls ihr mehr über Julia erfahren möchtet, dann seht euch ihre Facebook-Seite an!

facebook.com/julesalmondautorin

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