Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Eine Ära geht zu Ende

Ich sitze mit meinem Stuhl direkt auf dem Bürgersteig. Der Wein fließt feuchtfröhlich in unsere Gläser. Ich schaue nach oben und betrachte das große, an der Außenwand befestigte Logo meines früheren Arbeitgebers. Das Ganze nicht ohne einen Anflug von Sentimentalität.

Ich befinde mich auf der ganz privaten Abschiedsfeier meiner ehemaligen Chefin. Sie hat all die alten Bekannten, WeggefährtInnen und Spätschicht-KomplizInnen zu einem letzten gemeinsamen Glas Wein in die heiligen Hallen gebeten. Fast alle von uns haben nach und nach einen anderen Weg eingeschlagen und haben den schützenden Mutterschoß eines soliden Studie-Jobs verlassen und sind weitergezogen. Doch wir alle können die Zeit, die wir einmal hatten, nicht ganz loslassen. Pilgern immer wieder zurück: auf einen Kaffee, ein Gespräch mit verbliebenden KollegInnen, um mal wieder nach dem Rechten zu sehen. Ich glaube auch deswegen kamen wir alle so zahlreich zum letzten Umtrunk. Um den letzten Jahren ein letztes Mal Tribut zu zollen.

Auch ich habe mittlerweile einen anderen Job. Und ja ich weiß, ich habe mich oft – sogar literarisch – über den Job einer Servicekraft kräftig ausgelassen. Aber mein Ärger galt immer nur der Dummheit von Menschen. Niemals meinen KollegInnen, der Zeit, den Momenten.

Ich weiß noch genau als ich damals, jetzt vor fast vier Jahren, ganz aufgeregt meine Bewerbung abgab. Wie aufgeregt ich vor meiner ersten Schicht – einer Frühschicht – doch war. Hätte ich damals schon gewusst, was alles auf mich zukommt, hätte ich gar nicht so aufgeregt sein müssen. Oder vielleicht gerade doch – aufgeregt aus Vorfreude.

Denn es folgte eines der besten Dinge die mir in meiner Studienzeit hätte passieren können. Ich bekam den Job und damit einige meiner heute besten FreundInnen, Erfahrungen und Momente die für immer mir – für immer uns gehören. Ja es war ein körperlich, sowie nervlich aufreibender Job. Anstrengende KundInnenfragen, Weihnachtsgeschäft, Leute die schon 30 Minuten vor Ladenöffnung alle 2 Minuten klopfen. Belehrungen über gute oder schlechte Lebensmittel – darauffolgend natürlich gleich Mahnschreie an mein Moralverständnis.

Aber es folgten ebenso nächtliches Pasta kochen nach Weinschulungen, unzählige Momente in denen dich ein/e KollegeIn mit einem ganz besonders liebevoll gemachten Kaffee in stressigen Zeiten aufmunterte. Reisen nach Berlin und nach Hamburg. Es folgte  übertragene Verantwortung – Vertrauen. Unfassbar viel Spaß bei der Auswahl der richtigen Musik. Tiefsinnige Gespräche in langen Spätschichten. Mitternächtliches Verspeisen von Kochkurs Ergebnissen. Es folgten Freundschaften. Private Unternehmungen. Sich gegenseitig unterstützen. Zusammenhalten. Es folgte Verständnis, wenn man sich 5 Minuten ins Kühlhaus schleicht um einmal Durchzuatmen. Es folgten unzählige gepackte Pakete, aufgeschäumte Milch, verräumte Weinflaschen, dekorierte Fenster und verkaufte oder auch selbstgegessene Brownies.

Das alles geht mir durch den Kopf, während ich das Logo betrachte. Meine ehemaligen Kollegen, meine heutigen FreundInnen, lachen und unterhalten sich. Kriegen meine Sentimentalität nicht mit. Diese Einladung und dieser Abend sind wunderbar. Ich weiß, dass ich einige der anwesenden Personen so schnell nicht wiedersehen werde. Aber es tröstet mich, dass uns alle eins für immer verbinden wird: die Erinnerung an diese ganze besondere Zeit. Die Erinnerung an uns  - dieses ganz besondere Team. Ein Team so selten wie kostbar. Eine Zeit, die wir alle wahrscheinlich niemals ganz loslassen werden. Wahrscheinlich ist das hier gar nicht mein letztes Glas Wein. Hier auf meinem Stuhl, auf dem Bordstein, unter dem Logo…

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