Venedig
Laut Wikipedia ist Sevillas Altstadt die größte Spaniens und neben Venedig und der Altstadt von Genua eine der größten Altstädte Europas. Der Zufall oder auch das Schicksal oder was auch immer wollten es, dass ich Ende November Venedig und dann Mitte Dezember Sevilla zum ersten Male besuchte. Nach den unverhofft schönen Erlebnissen dort beschloss ich, 2018 Genua als Reiseziel anzupeilen, vielleicht im Mai.
Ja, tatsächlich waren meine Erwartungen, was Venedig und Sevilla anging, wirklich eher low. Ich hatte die Befürchtung, dass mich Venedig nur annerven würde, überall Wasser und Touristen. Doch dann machte ich schon mal bei der Buchung alles richtig: Ein Hotel auf dem Lido ist zumindest im November, am Ende der Biennale, die wohl weiseste Entscheidung. Dann bekam ich auch noch ein Upgrade, mein Herz schlug deswegen höher – ein bisschen aber auch wegen des Rezeptionisten, aber das ist eine andere Geschichte. Ich liebte den Öffentlichen Nahverkehr ab dem zweiten Tag an; ich hatte mir ein drei-Tages-Ticket besorgt und fuhr nun unbesorgt mit dem Boot hin und her und kreuz und quer. Gefühlt verbrachte ich den ganzen Tag auf dem Meer – und in welcher Großstadt lässt sich dies sagen.
Ja, apropos Großstadt, irgendwie fühlt sich Venedig trotz der vielen Menschen nicht urban an. Vielleicht ist es die Tatsache, dass Venedig auf dem Meer gebaut wurde oder weil es eben so viel Altstadt gibt, denn trotz der Einkaufszentren und großen Theatern und Museen und Kirchen und großen Plätze fühlte es sich für mich immer etwas klein und überschaubar an. Was ich in deutschen Städten allerdings als Kritik verstanden wissen möchte, ist hier natürlich ein Lob.
In Venedig sein fühlt sich immer wie im Urlaub sein, glaube ich, obwohl es den armen Venezianern vermutlich guttun würde, wenn nicht ganz so viele Tourist*innen sie das ganze Jahr belagerten. Wie mein sprichwörtliches Glück es wollte, erwischte ich noch die letzten Tage der Biennale, die standesgemäß natürlich ruhiger waren – auch das freute mich natürlich sehr! Die Kunstwerke gaben mir viele neue Ideen für mein Schreiben, sie waren der erste Grund dafür, dass meine Schreibblockade sich in Nichts auflöste.
Der zweite? Venedig ist immer ein bisschen so, als würde man in der real gewordenen Bühne eines Shakespeare Stückes aufwachen und diese durchschreiten. Jeder Ort erscheint voller Geschichten und Figuren aus Dramen. Dieses sich ständig in Geschichten wähnen, habe ich so noch nie in einer anderen Stadt gefühlt. Ich träumte mich spazierend durch diese Stadt, wandelnde lustvoll, immer auf der Suche nach etwas Leckerem zu essen und zu trinken – und genoss es am Leben zu sein. Die vielen Sonnenstrahlen taten ihren Rest. Es gab Momente, in denen ich vor Glück fast geplatzt wäre. Und ich bekam immer wieder die Lust, mich einfach hinzusetzen und zu schreiben. Zum immer da leben wäre es mir freilich zu teuer, auch wenn ich am vorletzten Tage, so etwas wie ein Studentenviertel mit durchaus erschwinglichen Preisen für Getränke und Mahlzeiten fand – übrigens in dieser Gegend gab es sogar Autos, die man ja im Zentrum der Altstadt nirgends sieht. Als ich am langen Strand spazierte oder saß und auf die Wellen des Meeres schaut, schwor ich mir, mal zum Baden herzukommen. Da merkte ich wieder, wie viele wunderbare Orte es auf der Welt gibt und dass man doch wirklich viel mehr reisen sollte, um die ganze Schönheit einatmen zu können ...
Als ich dann im Dezember in Sevilla war, wunderte ich mich doch: Auch hier hatte ich kaum Erwartungen gehegt und wurde umso mehr überrascht! Meine Güte, dies ist vermutlich eine der schönsten Städte Europas, viel schöner auf jeden Fall als Venedig zum Beispiel! So schön, dass nicht nur Szenen für Star Wars hier gedreht wurden, sondern für Lawrence in Arabien und etliche Hollywood Action- und Liebesfilme. Das war auch so eine Marotte von mir im Jahr 2017: Ich interessierte mich immer für die Serien und Filme, die an den Orten gedreht wurden, die ich besuchte. In Essaouira (Marokko) zum Beispiel wurde Game of Thrones teilweise gedreht, freilich gab es auch Dreharbeiten dieser Serie in Sevilla, Venedig war ein wichtiger Ort in einem der Indiana Jones Filme, vom »Tod in Venedig« möchte ich gar nicht erst anfangen. In Sevilla kam ich mir aber wirklich die ganze Zeit wie in einem Filmset vor. Immer wieder passierte es, dass Menschen neben mir plötzlich anfingen zu singen, auf vielen Plätzen in Sevilla wurde eh getanzt, gezaubert, gesungen, performt, Fußballkunststücke zelebriert. Die ganzjährige Sonne macht die Menschen an diesem Ort offensichtlich zu Menschen, die kaum Sorgen kennen – so wirkte dies von außen auf jeden Fall. Die Brötchenverkäuferin gab mir täglich Spanisch-Stunden, die Kellner*innen in den unzähligen Restaurants brachten mir die Sitten in dieser Stadt näher, eine Woche lang lernte ich einfach so vieles spielerisch und gut gelaunt.
In Sevilla sind an jeder Ecke Ketten (also Burger-Läden, Coffee- und Musikshops, Kaufhäuser etc.), überall Menschenmassen, die alle gefühlt Dutzende Einkaufstauschen in Händen tragen. Und doch überwiegt auch hier wie in Venedig die Dolce Vita, zu jeder Tageszeit wird hier ein Weinchen oder ein Bierchen in einem der Millionen Straßencafés und Restaurants getrunken, es wird überall gegessen und gelacht – und man denkt: sind denn hier nur Urlauber*innen? Sevilla ist eine Großstadt und ist wirklich urban, sie fühlt sich auch viel urbaner an als Venedig. Und doch: irgendwie gibt es so viele wunderschöne Parks und Plätze und Kirchen und Türme und den wunderbaren Fluss – und alle Menschen versammeln sich so und es wirkt alles so, als wäre man einfach draußen und unbeschwert, so wie ich das vom Dorfleben in Griechenland kenne. Sevilla werde ich ganz sicher wieder besuchen!
Aber wie gesagt, es ist der Blick von außen, es ist der Blick des Urlaubers – vielleicht täuscht dieser doch sehr. Venedig und Sevilla haben zwei der größten Altstädte Europas – ja, sie ohne sich beide, man sollte sie sich angeschaut haben!
Sevilla
Mehr über Jannis Erlebnisse in Venedig und Sevilla findet ihr auf seinem Blog schmerzwach: