Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Quarterlife Crisis, Bali und die Kunst die richtigen Geschichten zu erzählen

Heiße Liebe, Pure Lust, Sweet Kiss … Manchmal muss man einsehen, dass in seinem Teeregal mehr Aufregung herrscht, als in seinem Privatleben.

Meine Generation hat es nicht leicht. Okay, das sagten bestimmt alle von sich. Aber in den Neunzigern geboren zu sein, bedeutet es zu kennen, Bandsalat einer Kassette mit einem Bleistift wieder einrollen zu müssen. Überhaupt Kassetten noch zu kennen! Aber es bedeutet auch, dass wir die volle Breitseite der Globalisierung und Digitalisierung abbekommen. Während sich diese Veränderungen langsam gesellschaftlich einjustieren, sind wir aber in genau dem Alter, handeln zu müssen, nicht mehr nur Schaukeln zu dürfen, sondern langsam die ersten Ergebnisse abzuliefern. Für unsere Feinjustierung war die Deadline leider etwas kürzer gefasst. Kein Wunder prägen wir die Quarterlife Crisis. Wir stehen alle ungefähr vor dem baldigen Ende eines Studiums oder in den Anfängen der Renteneinzahlung. Vor uns  eine unglaubliche Auswahl an Möglichkeiten: Job, Trainee, Doktortitel, Praktika, Auslandserfahrungen oder wir stellen alle Habseligkeiten wieder bei Mama und Papa unters Dach und versuchen den Weg eines dieser neumodischen Digitalen Nomaden und buchen vom Limit unserer Kreditkarte den Flug nach Bali. Bali, so wie alle individuellen Menschen es gerade tun. Und das ist der Punkt. Uns stehen so viele individuelle Möglichkeiten offen, dass wir doch alle das Gleiche tun: verzweifeln und einer kleinen Masse von hochbezahlten Influencern zum vermeintlichen Ende des Regenbogens folgen. Ich denke, an dem Tag, an dem wir von einem Lamy Füller auf gratis Kugelschreiber umgestiegen sind, verloren wir die Kontrolle über unser Leben. Kontrolle, die wir mit Dingen wie dem 5 a.m. Club wiederzuerlangen versuchen. Ich würde auch gerne früh aufstehen, morgens schon Yoga machen, einen frischen Ingwer Tee trinken während meine Smoothiebowl im Mixer grünlich vor sich hin püriert, aber ich bin leider eher der Typ der zwanzig Mal auf den Snooze-Button drückt, halb bewusstlos Kaffee kocht und atmet.

Meine Eltern waren in meinem Alter schon verheiratet, hatten meinen Bruder, einen Hund und ein Haus. Ich bestelle Essen online, damit ich mit niemandem sprechen muss. Ich habe mich schon viele unzählige Abende mit Freunden darüber unterhalten, wieso wir so viele Pläne haben. Aber dann doch in fleckiger Jogginghose und Assi Palme auf dem Kopf Netflix vorziehen. Ich habe aber nun beschlossen, diese Unfähigkeit all meine Möglichkeiten auszunutzen, einfach zu akzeptieren, anstatt sich weiterhin ständig neue Regeln auszudenken: Morgen isst du nur noch Salat. Du schaust dir die Instastory dieses Typen nicht mehr an, du fällst nie mehr auf Männer mit Sonnenbrillen Fotos rein, trinkst weniger Wein … Was soll‘s? Wenn ich akzeptiere, dass all die schönen Influencer und Prototypen meiner Generation ohne ihre Vsco Filter genauso unsicher sind wie ich, sollten wir doch einfach alle ein bisschen den Druck rausnehmen oder? Vielleicht geht es in diesem Leben nicht darum, den Kalender mit Terminen zu füllen, sondern darum Pommes zu essen. Wenn man beispielsweise Rotwein aus einer Tasse trinkt, sieht es wie Früchtetee aus und man wird von jedem für seine gesunde Lebensweise bewundert. Denn wenn man eins von meiner Generation lernen kann: Es kommt nur darauf an, wie gut du die Geschichte erzählst. Also erzähle fleißig von Dingen wie einem Waschtag oder der Kunst vorzukochen. Aber vergiss nicht, die Feste zu feiern, wie sie fallen. Konfetti zu schmeißen und auf dein Herz zu hören! Außer die Bäckerin empfiehlt dir Kuchen, dann nimm den Kuchen!

Genieße den Beziehungsstatus: alles im Kühlschrank ist meins. Und streiche alle Menschen aus deinem Leben, die dir sagen, dass du zu viel Käse über dein Essen machst. Diese Negativität brauchst du nicht. Bringe Whiskey zu einer Teaparty mit und gönne dir neue High Heels, einfach nur um besser ans Gewürzfach zu gelangen. Irgendwo da draußen gibt es einen Laden, der verkauft nur Luftballons. Wem auch immer der gehört, dieser Mensch lebt seinen Traum, egal was alle anderen sagen. Tun wir es ihm gleich. Ich bin jetzt genau im richtigen Alter. Für was, finde ich noch raus. Aber eins ist sicher, ich werde einmal diese stinkreiche Tante in einem Kimono sein, die sich niemals zur Ruhe setzt und jede Familienfeier dadurch erheitert, dass sie zu tief ins Glas schaut. Auf diese Zukunft freue ich mich jetzt schon.

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