Same procedure as every year?

#LBM18

Das frage ich mich nach der letzten Buchmesse in Leipzig.

Vermutlich ist es mein Alter, vermutlich die Tatsache, dass alles, was wir tun, weniger aufregend wird, je öfter wir es tun. Die ersten Partys waren für uns aufregend, wir erlebten Neues: das erste Mal eng umschlungen mit einer anderen Person tanzen, das erste Mal knutschen, das erste Mal ein bisschen Fummeln. Wir liebten es damals, verrückte Gespräche mit Unbekannten zu führen und davon in den nächsten Tagen zu erzählen. Wir zehrten davon mehrere Schulwochen.

Und so waren die ersten Buchmessen für mich wie eine neue Droge: die vielen Bücher, die neuen, spannenden Kontakte zu Buchmenschen, die mich in ihre Welt einließen, in eine vormals verborgene Welt für mich. Es fühlte sich für mich an, als ob jemand das Portal zum Paradies für mich öffnete, plötzlich gehörte ich dazu, hatte Zugang in das Reich der Sinne – überall spürte ich diese Liebe zu Büchern und ich spürte diese Liebe zwischen Gleichgesinnten.

Ich freute mich wochenlang auf die Buchmessen, freute mich darauf, diese Art von Liebe zu spüren, die man nicht erlebt, wenn man alleine am Laptop sitzt und seine Geschichten eintippt, und die man nicht erlebt, wenn man gemütlich auf dem Sofa sitzt und schöne Bücher liest. Das sind auch wundervolle Momente, sie sind jedoch anders, sie haben nichts mit anderen Menschen zu tun. Bücher können natürlich wärmen, aber sie sind nicht mit Umarmungen von Menschen vergleichbar ...

Auch von früheren Buchmessen zehrte ich mehrere Arbeitswochen. Nun ist es irgendwie anders für mich, ja, vielleicht liegt es am Alter. Vielleicht aber auch, weil ich das große Glück hatte, in eine Szene von Buchmacher*innen zu kommen, die gerade den letzten Höhepunkt vor dem Niedergang lebten, das goldene Zeitalter des unabhängigen Büchermachens, bevor dann eine neue Ära beginnen sollte, die es jedem in der Buchbranche schwerer machte, unbeschwert und glücklich durch die Buchmesse-Woche zu schweben. Vielleicht habe ich in den letzten Jahren die schönsten Momente, die es gab, miterlebt. Vielleicht ist nun die Atmosphäre eine andere, die Menschen anders, beschwert und unglücklich, nicht zufrieden mit dem Verlauf, den die letzten Jahre verkaufstechnisch nahmen.

Vielleicht lag es also wirklich nicht an mir, dass ich kaum Begeisterung wahrnahm, wenn ich durch die Flure ging bei dieser #LBM18, niemand schien so richtig fröhlich zu sein, der Stress war allenthalben spürbarer als sonst, der Ärger darüber, dass die Abverkäufe immer härtere Arbeit werden. Ich versuchte mich treiben zu lassen, so wie ich das immer tat auf Buchmessen, versuchte ins Gespräch zu kommen, versuchte, Dinge herauszufinden, Stimmungen zu erspüren, versuchte diese alte Atmosphäre der Liebe zu finden. Doch nichts!

Vielleicht lag es am Wetter, daran, dass der „sibirische“ Wind uns nervte, der viele Schnee keine Freude aufkommen ließ, dass es deswegen auch keinen Besucherrekord mehr gab. Vielleicht lag es auch daran, dass viele sich vor der Zukunft fürchten, davor, dass die rechten Verlage in der Zukunft mehr Marktanteile bekommen, davor, dass die Leser*innen konservativer werden, dass sie zu einem schwullesbischen Verlag gehen und ihm die Daseinsberechtigung absprechen möchten. Vielleicht ist die Verlagsszene kämpferischer geworden, #verlagegegenrechts hat viel gutes Programm gemacht, um diesem Trend nach rechts, ins Konservative, entgegenzutreten. Doch, wo Kampf ist, kann keine Liebe sein und muss es auch nicht. Wir befinden uns in neuen Zeiten. Natürlich liegen nun Unkenrufe nah, »früher war ja alles besser« und so, aber das stimmt natürlich nicht. Meine Filterblase hat sich einfach verändert, nichts weiter. Und meine Art, die Dinge zu sehen. Früher, als alles neu und aufregend war, habe ich viel Negatives nicht registriert. Früher konnte ich auf die Party der jungen Verlage gehen, stand eine Weile aufgeregt neben Benedict Wells, ließ mich in der nächsten Minute von irgendeinem anderen Star-Debutanten, der längst vergessen ist, dumm vor der Toilette anlabern, wurde von einem anderen Talent abgerippt (ich komme dann mit den Kippen wieder zurück zu dir – und wurde nie wieder gesehen), diskutierte mit meinen Freunden über die coole Musik, die in der Naxos Halle lief, während ich bei der letzten Party zwei Hansels auf der DJ Bühne betrachten durfte, die nur Musik spielten, die ganz sicher nicht cool ist, die es vielleicht mal 1999 war. Selbst als ich Conne Island einen Besuch abstattete, um die ganzen wunderbaren Grafik Sachen, Comics und Plakate vom Millionaires Club zu betrachten, langweilte ich mich nach fünf Minuten, weil alle Stände gleich aussahen. Verwirrt fragte ich meine Buchmessen-Liebe ständig: Die saß doch auch bei dem anderen Stand, oder? Und der Typ da, der ist doch von dem Stand drei Tische links, oder? Sie erwiderte immer nur: nee, die sehen halt alle gleich aus, irgendwie.

Als ich mich vor ein paar Minuten dransetzte, etwas über die Messe zu schreiben, dachte ich: oh je, was soll ich nur schreiben, ist doch jedes Jahr eh das gleiche, was man erlebt. Und jetzt merke ich, dass ich einen Abgesang auf die Buchmessen gesungen habe. Wie konnte das passieren? Und wieso bringe ich nichts Positives aufs Papier, was es ja auch gab? Vielleicht musste das einfach mal raus, damit ich es im Herbst in Frankfurt wieder anders sehen kann? Schauen wir mal ...

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