Julia Mandl – Literarische Gastbeiträge

Es war einmal ein kleines Mädchen

Ich sitze in einem Café in Frankfurt. Alleine. Nur ich, mein Kaffee und ein Buch. Ich mache das gerne, einfach in einem schönen Café sitzen, um eben dieses zu vergessen und mich in den Zeilen eines Buches zu verlieren. Nur heute kann ich mich nicht ganz recht konzentrieren. Immer wieder ähneln meine Gedanken dem geschäftigen Treiben draußen auf den Straßen. Nun gut, dann halt heute: mein Kaffee, meine Gedanken und ich. Mir gegenüber sitzt eine Frau mit ihrer kleinen Tochter. Vielleicht 7 oder 8 Jahre. Sie feixt mich an, überlegt sich bestimmt warum diese komische Frau keine Freunde hat und alleine in einem Café sitzt und Löcher in die Luft starrt. Sie erinnert mich an mich als kleines Mädchen. Genau in diesem Alter fing es an, dass mein Vater in verschiedenen großen deutschen Städten arbeiten musste. Er legte die Termine oft in meine Ferien und meine Mutter und ich kamen mit. Berlin, München, Stuttgart. Für mich als Kind vom Dorf eröffnete sich eine riesige Welt aus Wolkenkratzern, Urbanität und vor allem: Möglichkeiten! So wie dieses Mädchen jetzt, saß ich damals auch mit meiner Mutter in Cafés und war alleine von einem hip eingerichteten Kaffeehaus so fasziniert, dass ich sogar vergaß mit meinem Strohhalm Blasen ins Getränk zu blubbern. München hatte mich damals immer ganz besonders fasziniert. Dieses Glitzern, das diese Stadt ausstrahlt. Hier kamen die weltgewandten Frauen mit ihren vollem Terminkalender, die ich damals gebannt beobachtete und studierte, besonders zur Geltung. Hier fühlte ich dieses Leben, welches ich für mich wollte. Berlin war mir schon immer zu angestrengt schnell. Aber München verkörperte für mich das, was ich erreichen wollte, damals mit acht! Lange war ich nicht mehr dort gewesen. Das letzte Mal als ich 15 war. Mittlerweile wuchs ich heran, mein Terminkalender wurde voll, meine Lippenstifte teurer, meine Schuhe höher und mein Aperol Konsum noch höher. Ich landete in der Mainmetropole Frankfurt. Ich baute mir dort mein Leben auf, aber sehnsuchtsvoll schaute mein kindliches Herz gen Süden. Vor kurzem war ich wieder da. Nach gut 9 Jahren wieder in München. Es war ein wunderschönes Wochenende. Doch es hatte sich viel verändert. Ich habe mich verändert. Ich war nicht mehr an der Hand meiner Mutter dort, sondern mit einem Mann an meiner Seite. Ich bin groß geworden. Aus dem kleinen Mädchen, das von den ewig langen Münchner Rolltreppen paralysiert war, ist eine junge Frau geworden, die mittlerweile weiß, dass man rechts steht und links geht. Mir wurde dort am Marienplatz bewusst, ich habe meinen Traum von Großstadt für mich realisiert. Nämlich jedes Mal, wenn ich den Main überquere und sich die Skyline in meinen glänzenden Augen spiegelt, weiß ich, dass ich zuhause bin. Nur eins hat sich über die Jahre aus meiner Münchner Erinnerung erhalten: Meine Liebe für Kaffeehäuser. Meine Liebe, dort zu sitzen und die schnelllebige Atmosphäre unzähliger Chancen und Möglichkeiten zu spüren. Ich lächele das kleine Mädchen an, sie lächelt zurück. Still wünsche ich diesem Mädchen ebensolche Träume, die sie leiten. Aber noch mehr wünsche ich ihr das Vertrauen in ihren Weg. Denn Frankfurt, München, Berlin, Stuttgart, Hamburg oder Köln, wo ich gelandet bin, ist eigentlich einerlei. Denn meine Gefühle damals mit acht sind die gleichen wie heute. Denn der Inhalt ist so viel wichtiger als die Form und so vertiefe ich mich doch wieder in die vor mir liegenden Zeilen der Glasglocke.  

 

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P – Stadt/ Kultur-Magazin Darmstadt

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