Es ist Dienstag, Viertel nach Eins. Mit gepackten Koffern verlassen wir unsere Wohnung in Richtung Urlaub. Ein letzter Hosentaschencheck bevor es los geht — Feuerzeug, Geldbeutel, Handy … Handy? Gerade als ich die Tür wieder öffnen möchte, um das Telefon zu holen, fällt es mir ein: Ich wollte das Ding ja da lassen. Nun gut. Mit einem seltsamen, nicht näher spezifizierbaren Gefühl steige ich ins Auto. Es geht los.
Ein paar kurze Episoden, um etwas klarzustellen:
Meine Haltung gegenüber Digitalien im Allgemeinen und dem Smartphone im Speziellen lässt sich wohl anhand einer kleinen Geschichte erläutern, die sich vor wenigen Jahren ereignete. Wie ich bereits in einem früheren Artikel erwähnte, bin ich in Suburbia aufgewachsen — fernab vom Puls der Zeit. Und doch hatte meine Familie, bedingt durch die berufliche Laufbahn meiner Eltern, schon ab einem relativ frühen Zeitpunkt einen Computer zuhause. Doch anstatt diese Begebenheit zu nutzen und der elterlichen Hoffnung auf Begeisterung gerecht zu werden, hat der kleine Revoluzzer in mir stets alles Digitale weit von sich gewiesen. Mein Fahrrad, mein Fußball und meine Freunde waren anders für mich greifbar — und daher für mich wichtiger.
Auf dem letzten Klassentreffen lief ich meinem ehemaligen Banknachbarn in die Arme. Wir unterhielten uns gut und natürlich kam irgendwann die Frage: Und, was machst du so? Also erzählte ich ein bisschen von eBooks, sozialen Medien, usw. — und je länger ich redete desto breiter wurde sein Grinsen. Als ich meine Ausführungen beendet hatte, kommentierte er trocken: »Als wir uns damals kannten, wusstest du noch nicht ein mal, wie man eine Maus bedient!«
Ja, das waren andere Zeiten. Heute hänge ich tagein tagaus vor dem Computer — egal ob in meiner Freizeit oder in der Arbeit.
Vor ein paar Wochen hatten Genossin Kitty und ich das Vergnügen, astikos auf der Jahresversammlung der Jungen Verlagsmenschen vorstellen zu dürfen. Bei dieser Gelegenheit war es uns vergönnt, den Vortrag »Achtsames Selbstmanagement« von Tina Röbel zu hören. Sie legte uns ein paar Strategien ans Herz, mit denen jeder von uns auf sehr einfache Weise lernt, etwas umsichtiger mit sich selbst zu sein. Natürlich wurde dabei auch auf das Thema »Handy« eingegangen — wie schafft man es, nicht andauernd das Smartphone in der Hand zu haben? Als ich mir auf meinem Heimweg das Erlebte noch einmal habe durch den Kopf gehen lassen, reifte in mir ein Plan. Ich werde ein kleines Experiment mit mir selbst durchführen — den nächsten Urlaub werden mein Telefon und ich getrennte Wege gehen.
So kam ich also zu dem Plan. Während ich auf dem Weg zum Flughafen noch kontempliere, ob es wirklich eine gute Idee war und was die Woche wohl bringen wird, geraten wir in einen Stau. Reflexartig greife ich nach meinem Telefon, um eine Alternativroute zu suchen … damn! 1:0 für Team »Haha — selber schuld.«
Wir sind zurück. Urlaub war sehr unterhaltsam. Wir haben Sonne getankt, gebadet, Bier getrunken, wild gefeiert und jede Menge Spaß gehabt. Altafulla, ich möchte ein Lied auf dich singen … aber das mach ich ich wohl besser an einer anderen Stelle. Hier geht es ja um etwas anderes.
Was also ist das Ergebnis meines Experiments?
Unspektakulär — anders kann man es einfach nicht ausdrücken. Ich hatte irgendwie erwartet oder erhofft, dass sich in mir etwas löst. Dass ich befreit aufatmen werde und mit einem mal all die Hektik des Lebens von mir abfällt. Auch eine anhaltende Nervosität hätte ich akzeptiert. Oder extreme Langeweile. Aber abgesehen von den anfänglichen Griffen ins Leere ging die Umgewöhnung doch recht zügig und unauffällig von statten.
Es war durchaus angenehm sich nicht die ganze Zeit Gedanken darüber machen zu müssen, ob das Handy jetzt in Hörweite liegt weil man noch diese und jene Nachricht erwartet. Ich musste auch nicht ständig darauf achten, dass mein Telefon keinen Hitzschlag erleidet oder unfreiwillig baden geht. Auch das zwanghafte, regelmäßigen Füttern der Kommunikationshilfe fiel angenehm durch Abwesenheit auf.
Natürlich gab es ein oder zwei Situationen, in denen es praktisch gewesen wäre, das Handy dabei zu haben. Ich hätte wohl das eine oder andere Foto mehr gemacht und vielleicht auch die eine oder andere spontane Idee besser umsetzen oder recherchieren können.
Auf der anderen Seite war ich doch etwas abgeschnitten vom Weltgeschehen, was man aber auch anders hätte regeln können.
Mein Ergebnis: keine Ergebnis!
Und die Konsequenz?
In einer Zeit, in der ich mit meinen Freunden gemeinsam im Zimmer sitze und wir uns gegenseitig WhatsApp-Nachrichten schicken, in der man in den öffentlichen Verkehrsmitteln nur noch Leute sieht, die auf ihre Handys starren, in der wir in jeder freien Sekunde unser Telefon in der Hand haben, aus Angst etwas zu verpassen, möchte ich ein Plädoyer für das gelegentliche Weglegen halten. Geht auch mal raus vor die Tür und lasst das Telefon zuhause. Macht eure Augen auf — schaut nach vorne, hinten, links und rechts und oben. Ihr könntet sonst etwas verpassen. 😉