Wir wollten von unserer neuen Autorin Juliane wissen: Wie sieht dein Schreiballtag aus?
Einen Schreiballtag als solchen gibt es nicht, eher schreibe ich dann, wenn mich die Muse küsst. Mir fällt ein Satz ein, dann muss ich diesen Satz festhalten und dann ergibt sich daraus vielleicht sogar eine Geschichte.
Meistens werde ich geküsst, wenn ich unterwegs bin. Wenn ich im Zug sitze und aus dem Fenster schaue und der vom Sonnenuntergang rosa gefärbte Wolkenhimmel an und über mir vorbeirauscht oder große Windräder am Horizont beständig ihre Kreise ziehen. Dann ist mein Kopf wie leer gepustet und plötzlich ist er da, der erste Satz. Und dann fängt die Arbeit an, der Alltag, wenn man es so nennen will: morgens aufstehen und je nach Restmüdigkeit schreiben. Auf dem Weg zur Arbeit. Auf dem Rückweg nach Hause – schreiben. Abends, auch manchmal – schreiben. Und ziemlich oft – nachdenken. Darüber, welcher Satz nach dem ersten kommen könnte, wie sich daraus eine Geschichte entwickeln könnte, wie sich einzelne Sätze, einzelne Handlungsstränge zu einem Ganzen zusammenfügen könnten.
Und dann braucht es Disziplin, am Ball zu bleiben, oder vielmehr am Notizbuch oder am Laptop.
Irgendwann kommt die Arbeit dann zum Stocken – zumindest bei längeren Texten, eher weniger bei kürzeren – dann fängt das Nachdenken von vorne an und Zweifel kommen dazu. Ergeben die einzelnen Teile, die einzelnen Sätze, wirklich ein Ganzes? Und macht das Ganze überhaupt Sinn? In diesem Stadium ist es sehr einfach zu prokrastinieren. Die Verlockungen des Internets schreien lauter als sonst. Mediatheken werden durchforstet, es wird Ausschau gehalten nach Belohnungen, die natürlich erst dann Realität werden dürfen, wenn das Ganze tatsächlich Sinn ergibt. Wenn die Geschichte fertig ist.
Fertig, ein vorläufiges Wort.
Also: wieder zurück an den Text, an die einzelnen Sätze, weitermachen oder neu anfangen, unterwegs sein, sich neuen Impulsen öffnen oder rückbesinnen, schreiben.
Und der Kreislauf beginnt wieder von vorne.
Oft schreibe ich auch mit Musik im Ohr. Meistens etwas, das mich in eine melancholische Stimmung bringt, etwas, das mich erdet und mich auf den Grund meines Selbst tauchen lässt. Einmal im Schreibflow, vergesse ich, zu trinken, zu essen. Dann wache ich irgendwann wieder auf, komme wieder in unser aller Welt an und bin einfach nur platt. Und leer. Und zufrieden. Ich trinke etwas, mache eine Pause und hoffe, dass mich die Muse bald wieder küsst. Und der Kreislauf beginnt von vorne …
Julianes gerade bei astikos erschienenes eBook – Gretchen – findet ihr übrigens hier.